Kapitel 5: Wie es wirkt

Selten haben wir jemanden gesehen, der gescheitert ist, obwohl er unsere Richtlinien gewissenhaft befolgt hat [followed our directions].

Nicht zur Genesung gelangen diejenigen, die sich nicht ganz in dieses einfache Programm einbringen können oder wollen. Meist sind es Männer und Frauen, die aus ihrer Veranlagung heraus sich selbst gegenüber nicht ehrlich sein können. Solche Unglücklichen gibt es. Es ist nicht ihre Schuld. Es scheint, als seien sie so geboren. Sie sind von Natur aus nicht in der Lage, eine Lebensweise anzunehmen und für sich zu entwickeln, die eine rigorose Ehrlichkeit verlangt. Ihre Genesungschancen liegen unter dem Durchschnitt. Darüber hinaus gibt es auch Menschen, die unter ernsten Störungen in ihrem Denken und Fühlen leiden [mental and emotional disorders]. Dennoch genesen viele von ihnen, wenn sie die Fähigkeit haben, ehrlich zu sein.

Unsere Lebensgeschichten offenbaren in groben Zügen, wie wir waren, was geschah und wie wir heute sind. Wenn Sie sich entschieden haben, daß Sie das haben wollen, was wir haben, und wenn Sie willens sind, meilenweit - wie weit auch immer, zu gehen, um es zu bekommen, dann sind Sie auch bereit, Richtlinien zu befolgen.

Vor manchen scheuen Sie vielleicht zurück. Sie denken vielleicht, daß Sie einen leichteren, bequemeren Weg [easier, softer way] finden können. Wir bezweifeln, daß Sie das können. Mit aller Ernsthaftigkeit, die uns zu Gebote steht, bitten wir Sie, von Anfang an furchtlos und gründlich zu sein. Einige von uns hatten versucht, an alten Vorstellungen [old ideas] festzuhalten: Das Resultat war gleich Null, bis wir absolut davon abließen.

Denken Sie daran, daß Sie es mit Alkohol zu tun haben - verschlagen, trügerisch, mächtig! Ohne Hilfe ist es viel zu schwer für Sie. Aber es gibt Einen, der alle Kraft hat - Dieser Eine ist Gott, den Sie jetzt finden müssen!

Halbe Sachen werden Ihnen nichts nützen. Sie stehen am Wendepunkt. Unterwerfen Sie sich Seinem Schutz und Seiner Fürsorge mit völliger Hingabe. Jetzt, so denken wir, können Sie das tun. Hier sind die Schritte, die wir gegangen sind. Wir empfehlen sie Ihnen als Ihr Genesungsprogramm [suggested as your Program of Recovery]:

  1. Wir gaben zu, daß wir dem Alkohol gegenüber machtlos waren - daß unser Leben unkontrollierbar geworden war.
  2. Wir kamen zu dem Glauben, daß eine Kraft, größer als unser Ich, uns unsere [geistige] Gesundheit wiedergeben könnte.
  3. Wir faßten den Entschluß, unseren Willen und unser Leben der Sorge und Führung Gottes - wie wir Ihn verstanden - zu übergeben.
  4. Wir machten eine gründliche und furchtlose, moralische Bestandsaufnahme von uns selbst.
  5. Wir gaben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber die genaue Natur unserer Fehler zu.
  6. Wir waren völlig bereit, all diese Charakterfehler von Gott beseitigen zu lassen.
  7. Demütig, auf unseren Knien, baten wir Ihn, unsere Mängel von uns zu nehmen - rückhaltlos.
  8. Wir machten eine Liste aller Personen, denen wir Schaden zugefügt hatten, und wurden willig, ihn bei allen vollständig wieder gutzumachen.
  9. Wir machten direkt bei diesen Menschen wieder gut - wo immer es möglich war -, es sei denn, wir hätten dadurch sie oder andere verletzt.
  10. Wir nahmen weiterhin persönliche Inventur vor, und wenn wir im Unrecht waren, gaben wir es sofort zu.
  11. Wir suchten durch Gebet und Meditation unseren Kontakt zu Gott zu vertiefen. Wir beteten nur um die Erkenntnis Seines Willens für uns und um die Kraft, ihn auszuführen.
  12. Nachdem wir als Resultat dieses Aktionsprogramms ein spirituelles Erlebnis gehabt hatten, versuchten wir, diese Botschaft anderen zu bringen - speziell Alkoholikern - und diese Prinzipien in all unseren Angelegenheiten zu praktizieren.

Sie werden aufschreien: "Was für Anordnungen! Da kann ich nicht durchgehen." Seien Sie nicht mutlos. Keiner von uns war in der Lage, so etwas wie perfekte Annäherung an diese Prinzipien aufrechtzuerhalten. Wir sind keine Heiligen. Der Punkt ist, daß wir willig sind, anhand spiritueller Richtlinien zu wachsen. Die Prinzipien, die wir niedergelegt haben, führen zum Fortschritt. Wir beanspruchen spirituellen Fortschritt eher als spirituelle Perfektion.

Unsere Beschreibung des Alkoholikers, das Kapitel "Wir Agnostiker" und die Schilderungen abenteuerlicher Ereignisse bevor und nachdem unser Leben sich wendete, sind dazu gedacht, Sie von drei wesentlichen Ideen zu überzeugen:

  1. ... daß Sie von alkoholischer Wesensart sind und Ihr Leben selbst nicht im Griff haben.
  2. ... daß wahrscheinlich keine menschliche Kraft Sie vom Alkoholismus befreien kann.
  3. ... daß Gott es kann und will.

Wenn du von diesen lebenswichtigen Punkten nicht überzeugt bist, solltest du das Buch noch einmal von vorn bis hierher lesen oder es ansonsten wegwerfen.

Falls du überzeugt bist, befindest du dich jetzt im Dritten Schritt, der darin besteht, daß du die Entscheidung fällst, deinen Willen und dein Leben herumzuwenden zu Gott, wie du Ihn verstehst. Was meinen wir damit, und was genau tun wir dabei?

Zuerst ist es erforderlich, daß du einsiehst, daß ein Leben, das vom Eigenwillen gesteuert wird, kaum erfolgreich sein kann. Mit dieser Einstellung kommen wir fast immer mit irgend etwas oder irgend jemandem in Konflikt, selbst wenn unsere Beweggründe gut sein mögen. Die meisten Menschen versuchen, durch die Antriebskraft ihres Ichs zu leben [self- propulsion]. Jeder ist wie ein Schauspieler, der die ganze Vorstellung allein bestreiten will. Er versucht ständig, die Beleuchtung, das Ballett und die Szenerie sowie den Rest der Schauspieler nach seinem Kopf zu arrangieren. Wenn man seine Arrangements nur so lassen würde, wenn die Leute nur das täten, was er wollte, wäre die Vorstellung großartig. Jeder, er selbst eingeschlossen, wäre zufriedengestellt [pleased]. Das Leben wäre wunderbar. Beim Versuch, dieses alles zu arrangieren, mag der Schauspieler manchmal geradezu meisterhaft [quite virtuous] sein. Vielleicht ist er freundlich, rücksichtsvoll, geduldig und großzügig, ja sogar bescheiden und selbstaufopfernd. Andererseits kann er aber auch gemein, egoistisch, eigennützig und unehrlich sein. Er wird aber, wie die meisten Menschen, wahrscheinlich unterschiedliche Charakterzüge haben.

Was geschieht gewöhnlich? Die Aufführung läuft nicht sehr gut. Er beginnt zu denken, daß er vom Leben ungerecht behandelt wird. Er beschließt, sich noch mehr anzustrengen. Bei nächster Gelegenheit wird er noch anspruchsvoller oder nachgiebiger sein - je nachdem. Das Stück [play] gefällt ihm immer noch nicht. Selbst wenn er zugibt, daß es auch ein wenig an ihm liegen könnte, ist er dennoch davon überzeugt, daß die anderen mehr Schuld haben. Er wird ärgerlich, entrüstet und bedauert sich selbst. Was ist seine grundlegende Schwierigkeit? Ist er nicht in Wirklichkeit gerade dann selbstsüchtig, wenn er versucht, freundlich zu sein? Ist er nicht das Opfer einer Selbsttäuschung, wenn er meint, der Welt Befriedigung und Glück für sich abringen zu können, wenn er es nur richtig anstellt? Ist es nicht für alle anderen Mitspieler klar, daß dies seine wahren Ziele sind? Führt sein Vorgehen nicht dazu, daß es ihm die anderen heimzahlen wollen, indem sie ihm die Show stehlen? Produziert er nicht - auch in seinen besten Augenblicken - eher Verwirrung als Harmonie?

Unser Schauspieler ist ichbezogen, ein Egomane - wie man heutzutage sagt. Er benimmt sich wie ein pensionierter Geschäftsmann, der während des Winters im Sonnenschein Floridas herumlungert und den traurigen Zustand der Nation beklagt; wie der Geistliche, der wegen der Sünden des 20. Jahrhunderts herumseiert; wie Politiker und Reformer, die sicher sind, daß wir schon Utopia [paradiesische Zustände] hätten, wenn der Rest der Welt sich nur benehmen würde; wie der gesetzlose Geldschrankknacker, der meint, die Gesellschaft habe ihn gelinkt; wie der Alkoholiker, der alles verloren hat und eingesperrt worden ist. Wogegen sie auch protestieren mögen, sind nicht all diese Leute hauptsächlich mit sich selbst, mit ihrem Groll und ihrem Selbstmitleid befaßt?

Egoismus - Ichbezogenheit! Das, glauben wir, ist die Wurzel unserer Schwierigkeiten. Getrieben durch hunderterlei Formen von Angst, Selbsttäuschung, Egoismus und Selbstmitleid treten wir unseren Mitmenschen auf die Füße, und sie schlagen zurück. Hin und wieder verletzen sie uns, ohne daß wir es anscheinend provoziert haben. Aber unweigerlich stellt sich heraus, daß wir irgendwann in der Vergangenheit egoistische Entscheidungen getroffen haben, die uns später verwundbar machten.

Also sind unsere Schwierigkeiten, denken wir, grundsätzlich Marke Eigenbau. Sie erwachsen aus unserem Ego, und der Alkoholiker ist ein extremes Beispiel für den wildgewordenen Eigenwillen, obwohl er gewöhnlich nicht so von sich denkt.Vor allem müssen wir Alkoholiker von dieser Selbstsucht frei werden. Wir müssen es - oder sie bringt uns um! Gott macht das möglich. Ohne Ihn gibt es keinen Weg, völlige Befreiung von diesem Ich zu erlangen. Mag sein, daß du moralische oder philosophische Überzeugungen in Hülle und Fülle hast, aber du kannst nicht danach leben, auch wenn du das gerne möchtest. Weder kannst du deine Selbstsucht durch gute Vorsätze wesentlich reduzieren, noch durch den Versuch, das aus eigener Kraft zu tun. Du mußt Gottes Hilfe dazu haben.

Das ist das Wie und Warum. Zu allererst mußt du aufhören, den lieben Gott zu spielen. Das funktioniert nicht. Als nächstes mußt du beschließen, daß von jetzt an Gott in diesem Drama des Lebens dein Regisseur [director] sein soll. Er ist der Chef, und du mußt Sein Handlungsbevollmächtigter* sein. Er ist der Vater, und du bist Sein Kind. Mach' dieses simple Verhältnis klar und geradlinig. Die meisten guten Ideen sind simpel, und diese Überzeugung [concept] muß der Grundstein des neuen Triumphbogens sein, durch den hindurch du zur Freiheit gelangen wirst.

Wenn du ernsthaft solch eine Position einnimmst, folgen alle möglichen bemerkenswerten Dinge. Du hast einen neuen Arbeitgeber [employer]. Da Er allmächtig ist, muß er dich notwendigerweise mit allem versorgen, was du brauchst, wenn du zu Ihm stehst und Seine Arbeit gut verrichtest. Auf dieser Grundlage wird das Interesse an dir selbst, deinen kleinen Plänen und Vorhaben immer mehr nachlassen. Zunehmend interessierst du dich dafür, was du dem Leben beisteuern kannst. Sobald du neue Kraft in dich einfließen fühlst, sobald du dich des Seelenfriedens [peace of mind] erfreust, sobald du entdeckst, daß du dem Leben erfolgreich entgegentreten kannst, sobald du dir Seiner Gegenwart bewußt wirst, verlierst du deine Angst vor dem Heute, dem Morgen und dem Jenseits. Du wirst wiedergeboren sein.

Geh auf die Knie und sage zu deinem Schöpfer, wie du Ihn verstehst: "Gott, ich bin Dein, verfüge über mich, Dein Wille geschehe. Erlöse mich von den Fesseln meines Ichs, damit ich Deinen Willen besser ausführen kann. Nimm meine Schwierigkeiten hinweg, damit der Sieg über sie Zeugnis ablegen möge von Deiner Macht, Deiner Liebe, Deiner Führung gegenüber den Menschen, denen ich helfen möchte. Möge ich immer Deinen Willen ausführen!" Denke gut nach, bevor du diesen Schritt tust. Sei dir sicher, daß du bereit dazu bist, damit du dich schließlich gänzlich Ihm hingeben kannst.

Es ist sehr wünschenswert, daß du deine Entscheidung zusammen mit einer verständnisvollen Person triffst. Das könnte deine Frau sein, dein bester Freund oder dein spiritueller Berater [Seelsorger, Sponsor, Pate], aber vergiß nicht, daß es besser ist, Gott allein gegenüberzutreten als mit jemandem, der es mißverstehen könnte. Dies mußt du selbst entscheiden. Natürlich ist die Wortwahl bei deiner Entscheidung ziemlich beliebig, solange der gedankliche Inhalt zum Ausdruck kommt und rückhaltlos ausgesprochen wird. Diese Entscheidung ist nur ein Anfang. Wenn sie ehrlich und demütig getroffen wird, ist eine Wirkung - manchmal eine sehr starke - sofort zu spüren.

Als nächstes werden wir uns mit wirkungsvollen Maßnahmen aus unserem Aktionsprogramm beschäftigen. Die erste Maßnahme ist ein persönlicher Hausputz [housecleaning], den du höchstwahrscheinlich noch nie vorgenommen hast. Obwohl deine Entscheidung ein lebenswichtiger und ausschlaggebender Schritt ist, kann er nur wenig anhaltende Wirkung haben, wenn nicht sofort eine eifrige Anstrengung darauf folgt, damit du den Dingen, die dich blockieren, ins Auge schauen und von ihnen befreit werden kannst. Dein Alkohol ist nur ein Symptom. Wir wollen tiefer gehen und zu den darunter liegenden Gründen und Bedingtheiten [basic causes and conditions] vordringen.

Deshalb fängst du jetzt mit einer persönlichen Bestandsaufnahme [inventory] an. Das ist Schritt Vier. [This is step four.] Ein Geschäft, das nicht regelmäßig Inventur macht, geht gewöhnlich pleite. Die Inventur im Geschäftsleben ist ein Prozeß, bei dem Tatbestände festgestellt werden, mit denen man sich auseinandersetzen muß. Sie ist eine Bemühung, die Wahrheit über den vorhandenen Bestand ausfindig zu machen. Ein Ziel dabei ist, beschädigte und unverkäufliche Ware festzustellen und sich ohne Bedauern schnell davon zu trennen. Wenn ein Geschäftsinhaber erfolgreich sein will, darf er sich über den wirklichen Wert seiner Ware nichts vormachen.

Genau das gleiche tun wir mit unserem Leben. Wir durchstöbern das Lager und schreiben alles, was wir vorfinden, wahrheitsgemäß auf eine Liste. Zuerst suchten wir in unserer Ausstattung nach denjenigen Artikeln mit Produktionsfehlern [nämlich: Groll und Angst], die unseren Mißerfolg verursachten. Überzeugt davon, daß unser Ego in seinen verschiedenen Erscheinungsformen uns immer wieder Niederlagen beigebracht hatte, untersuchten wir nun, wo und wie es gewöhnlich in Erscheinung tritt.

Groll [resentment] ist der Missetäter Nummer eins. Er zerstört mehr Alkoholiker, als es andere Dinge tun. Von ihm stammen alle Formen spirituellen Leidens ab. Denn nicht nur unser Denken und unser Körper waren krank, wir siechten auch spirituell dahin [we have been spiritually sick]. Wenn der spirituelle Mangelzustand [spiritual malady] überwunden wird, kommen auch unsere Mentalität und unser Körper wieder in Ordnung. Zur Behandlung unserer Verstimmungen [resentments], brachten wir sie zu Papier. Schreibe alle Leute, Institutionen und Prinzipien auf deine Liste, über die du dich [jemals] geärgert hast. Frage dich, warum du ärgerlich bist. In den meisten Fällen wird sich zeigen, daß deine Selbstachtung, dein Portemonnaie, deine Pläne [ambitions] oder deine persönlichen Beziehungen (einschließlich sexueller) verletzt oder bedroht sind. Also bist du sauer. Es kocht in dir.

Schreib' auf deine Groll-Liste neben jeden Namen [Spalte1], wodurch du verletzt oder bedroht worden bist [Spalte2], und welchen Bereichen in dir das in die Quere kam [interferred with]? War es dein Streben nach Anerkennung [self-esteem], dein Sicherheitsstreben [security], deine Pläne [ambitions], deine persönlichen oder sexuellen Beziehungskisten [relations]?

Mach es so eindeutig, wie in diesem Beispiel:

[Spalte1] [Spalte2] [Spalte3]
Mir stinkt: Grund: betroffen bei mir:
Herr Meier Sein Interesse an meiner Frau. Sexualbeziehung, Selbstachtung (Angst)
  Erzählte meiner Frau von meiner Geliebten. Sexualbeziehung, Selbstachtung (Angst)
  Meier könnte meine Stellung im Büro bekommen. Sicherheit, Selbstachtung
Frau Müller Ist eine dumme Gans. Sie hat mich von oben herab behandelt. Ließ ihren Mann wegen des Trinkens einsperren. Er ist mein Freund. Sie ist eine Klatschbase. Persönliche Beziehungen, Selbstachtung (Angst)
Mein Chef Ist unberechenbar ungerecht. Ein Sklaventreiber! Er droht mich hinauszuwerfen, weil ich trinke und zu hohe Spesen abrechne. Selbstachtung (Angst), Sicherheit
Meine Frau Versteht mich nicht und nörgelt. Mag Meier gern. Will das Haus auf ihren Namen überschrieben haben. Stolz - persönliche sexuelle Beziehungen, Sicherheit (Angst)

Führe die Liste weiter fort und gehe dein ganzes Leben durch, zurück bis zur Kindheit. Nichts zählt außer Gründlichkeit und Ehrlichkeit. Wenn du damit fertig bist, betrachte das Ergebnis sorgfältig. Das erste, was dir auffallen wird, ist, daß diese Welt und ihre Menschen ziemlich ungerecht sind. Bis zur Feststellung, daß andere etwas falsch machen, kamen die meisten von uns, weiter nicht. Gewöhnlich kommt für dich heraus, daß die Leute dich weiterhin linken werden [continue to wrong you] - und du bleibst sauer [sore]. Je mehr du kämpfst und versuchst, deinen eigenen Willen durchzusetzen, desto schlimmer wird es. Ist es nicht so? Wie im Krieg gewinnt der Sieger nur scheinbar. Die Momente, in denen du deine Triumphe auskosten kannst, sind nur kurzlebig.

Ein Leben, das so von tiefem Groll geprägt ist, muß leer und unglücklich sein, das ist so klar wie nur was. Exakt in dem Maß, wie wir solchen Verstimmungen in uns Raum geben, vergeuden wir die Stunden, die wir besser hätten nützen können. Beim Alkoholiker aber, dessen Hoffnung in der Erhaltung und im Wachsen einer spirituellen Erfahrung liegt, ist die Sache mit dem Groll besonders schwerwiegend. Wir erkennen, daß das lebensgefährlich ist. Wenn wir solchen Gefühlen nachgeben, schotten wir uns vom sonnenhellen Licht des göttlichen Geistes ab [sunlight of the Spirit]. Der Alkohol mit all seinem Wahnsinn kehrt zurück, und wir trinken wieder. Und Trinken bedeutet für uns sterben.

Wenn wir leben wollen, müssen wir vom Ärger frei sein. Groll und Wutanfälle sind nichts für uns. Normale Menschen können sich diesen zweifelhaften Luxus [dubious luxury] vielleicht leisten, aber für Alkoholiker sind diese Dinge Gift.

Wende dich wieder deiner Liste zu, denn sie enthält den Schlüssel für deine Zukunft. Du mußt darauf vorbereitet sein, diese Liste nunmehr aus einem gänzlich anderen Blickwinkel zu sehen. Du wirst damit beginnen zu sehen, daß die Welt und ihre Menschen dich wirklich beherrschen [dominate]. In deinem jetzigen Zustand hat das Fehlverhalten anderer - ob eingebildet oder wirklich vorhanden - buchstäblich die Kraft, dir das Leben kaputtzumachen, ja, dich zu töten [kill]. Wie wirst du dem entkommen? Du siehst ein, daß diese Verstimmungen [resentments] gemeistert werden müssen, aber wie? Du kannst sie dir genausowenig wegwünschen wie den Alkohol.

Das ist unser Weg: Mach dir sofort klar, daß die Menschen, die dir Unrecht tun, spirituell krank sind. Wenn du auch ihre Symptome nicht magst und die Art, wie diese dich stören - die Leute sind krank, genau wie du. Bitte darum, Gott möge dir dazu verhelfen, ihnen gegenüber die gleiche Toleranz, das gleiche Mitgefühl und die Geduld aufzubringen, wie du sie gern einem krebskranken Freund gewähren würdest. Wenn dich das nächste Mal jemand angreift, dann sage dir: "Das ist ein kranker Mensch. Wie kann ich ihm helfen? Gott errette mich aus dem Ärgerlich-Sein. Dein Wille geschehe."

Streite niemals. Räche dich niemals. Denn kranke Menschen würdest du auch nicht so behandeln. Falls du es tust, zerstörst du dir die Chance, ihnen zu helfen. Du kannst nicht allen Leuten helfen, aber zu guter Letzt wird Gott dir zeigen, wie du gegenüber allem und jedem eine freundliche und tolerante Haltung einnehmen kannst.

Nimm dir wieder deine Liste vor. Schlag dir aus dem Kopf, was andere falsch gemacht haben und suche beherzt nach deinen eigenen Fehlern. Wo warst du selbstsüchtig, unehrlich, egoistisch und feige? Obwohl dich nicht in allen Situationen die ganze Schuld trifft, laß trotzdem die anderen mit hinein verwickelten Personen völlig aus dem Spiel. Wo bist du zu beschuldigen? Das hier ist deine Inventur, nicht die von anderen Menschen. Wenn du deinen Fehler erkennst, schreib ihn mit auf die Liste. Sieh ihn vor dir - schwarz auf weiß. Gib ehrlich zu, was du falsch gemacht hast, und sei bereit, diese Dinge wieder geradezubiegen.

Dir wird auffallen, daß das Wort "Angst" am rechten Rand neben den Schwierigkeiten mit Herrn Meier, Frau Müller, dem Arbeitgeber und der Ehefrau in Klammern steht. Dieses kleine Wort berührt fast jeden Bereich unseres Lebens. Angst ist ein schlechter und brüchiger Faden; das Gewebe unserer Existenz ist damit durchzogen. Angst löst eine Kettenreaktion aus, die uns ins Unglück stürzt, das wir unserem Gefühl nach nicht verdient haben. Aber hatten wir die Kugel nicht selbst ins Rollen gebracht? Manchmal meinen wir, Angst sollte auf dieselbe Stufe gestellt werden wie Diebstahl, nämlich auf die Stufe von Sünde [as a sin]. Es scheint sogar, daß sie noch mehr Unheil anrichtet.

Durchleuchte deine Ängste gründlich. Bring sie zu Papier, auch wenn du in Verbindung mit ihnen keinen Groll fühlst. Frage dich, warum du diese Ängste hast. Liegt es nicht daran, daß dein Selbstvertrauen dich im Stich gelassen hat? Selbstvertrauen war - soweit es ging - gut, aber es ging nicht weit genug. Einige von uns hatten einst große Selbstsicherheit, aber sie löste weder völlig das Angstproblem noch irgendein anderes. Wenn sie uns überheblich machte, wurde alles noch schlimmer.

Wir denken, daß es vielleicht einen besseren Weg gibt. Denn du mußt jetzt von einer veränderten Grundlage ausgehen; die Grundlage ist, daß du Gott vertraust und dich auf Ihn verläßt. Du mußt dem unendlichen Gott mehr trauen als deinem endlichen Ich. Du bist auf der Welt, um die Rolle zu spielen, die Er dir zuweist. In dem Maße, wie du dich so verhältst, wie du meinst, daß Er dich haben möchte, und dich demütig auf Ihn verläßt, in dem Maße befähigt Er dich, Unheil mit freudiger Gelassenheit zu begegnen.

Du brauchst dich vor nichts und niemandem dafür zu entschuldigen, daß du dich auf deinen Schöpfer verläßt. Du kannst jene belächeln, die meinen, Spiritualität sei ein Weg der Schwäche. Im Gegenteil: Es ist der Weg der Stärke. Glaube bedeutet nach jahrhundertealten Erkenntnissen Mut. Alle Menschen, die glauben, haben Mut. Sie vertrauen auf ihren Gott. Entschuldige dich niemals für Gott. Statt dessen laß Ihn durch dich zeigen, was Er tun kann. Bitte Ihn, deine Angst von dir zu nehmen, und richte deine Aufmerksamkeit darauf, so zu sein, wie Er dich haben will. Plötzlich beginnst du, aus der Angst herauszuwachsen.

Nun zum Sex: Du kannst vielleicht einer gründlichen Überprüfung auf diesem Gebiet standhalten. Bei uns war sie nötig. Vor allem wollen wir diese Frage vernünftig angehen. Es ist so leicht, vom rechten Weg abzukommen. Hier gehen die Meinungen der Menschen bis ins Extrem auseinander, bis hin zu extremen Absurditäten. Die einen beharren darauf, daß Sex eine Begierde niederer Natur sei, eine notwendige Voraussetzung zur Fortpflanzung. Dann gibt es Stimmen, die nach Sex und noch mehr Sex rufen, die die Institution der Ehe beklagen, die glauben, daß die meisten menschlichen Schwierigkeiten auf das Sexuelle zurückzuführen sind. Sie glauben, wir hätten nicht genug oder nicht die richtige Art von Sex. Sie messen ihm in allem Bedeutung zu. Die eine Richtung will dem Menschen keine Würze bei seiner Kost erlauben, die andere möchte uns mit reinem Pfeffer ernähren. Aus diesem Streit möchten wir uns heraushalten. Wir möchten nicht Schiedsrichter für Sexualverhalten sein. Wir alle haben Sexprobleme. Das ist menschlich. Was können wir in dieser Sache tun?

Betrachte dein eigenes Verhalten der vergangenen Jahre. Wo warst du selbstsüchtig, unehrlich oder rücksichtslos? Wem hast du weh getan? Hast du auf unverantwortliche Weise Eifersucht, Argwohn oder Verbitterung erweckt? Wo hast du etwas falsch gemacht, was hättest du statt dessen tun sollen? Schreib alles auf Papier und sieh es dir an [sinne darüber nach].

Auf diese Weise formst du ein gesundes und normales Ideal für dein zukünftiges Sexualleben. Frage dich bei jeder Beziehung, ob sie selbstsüchtig [selfish] ist oder nicht. Bitte Gott, deinen Idealen eine Form zu verleihen und dir zu helfen, nach ihnen zu leben. Vergiß nie, daß deine sexuellen Kräfte [sex powers] gottgegeben und daher gut sind. Sie sollten weder leichtfertig oder selbstsüchtig genutzt werden, noch sollten sie verachtet und verabscheut werden.

Wie auch immer dein Ideal aussehen mag, du mußt bereit sein, ihm entgegenzuwachsen. Dort, wo du Schaden angerichtet hast, mußt du willens sein, ihn wiedergutzumachen, vorausgesetzt, daß du dabei nicht noch mehr Schaden anrichtest. Mit anderen Worten, behandle Sex wie jedes andere Problem. Frage Gott in der Meditation, was du in jedem einzelnen Fall tun solltest. Die richtige Antwort kommt, wenn du sie willst.

Gott allein kann deine Sexualangelegenheiten beurteilen. Rat von anderen ist oft wünschenswert, aber Gott sollte die letzte Instanz sein. Halten wir fest, daß einige Leute übertrieben fanatisch sind, was Sex betrifft, andere eher freizügig [loose]. Vermeide überzogene Urteile oder Ratschläge [hysterical thinking or advice].

Angenommen, du erreichst das erstrebte Ideal nicht und stolperst? Bedeutet das, daß du dich wieder betrinken wirst? Einige werden dir sagen, dem wäre so. Falls sie es tun, ist das nur die halbe Wahrheit. Es hängt von dir und deinen Beweggründen ab. Wenn du bereust, was du getan hast, und den ehrlichen Wunsch hegst, daß Gott dich dazu bringt, es besser zu machen, wird dir vergeben; du hast daraus gelernt. Wenn du nicht bereust und mit deinem Verhalten weiterhin anderen weh tust, kannst du ziemlich sicher sein, wieder zu trinken. Wir machen keine Theorien. Das sind Tatsachen aus unserer Erfahrung.

Zusammenfassend zum Thema Sexualität: Bete ernsthaft um ein richtiges Ideal, um Führung in jeder fraglichen Situation, um [geistige] Gesundheit [sanity] und um die Kraft, das Richtige zu tun. Wenn Sex dir zuviel Schwierigkeiten bereitet, stürze dich umso intensiver in Arbeit zur Hilfe für andere. Denke an ihre Nöte und tu' etwas für sie [work for them]. Dabei wächst du über dich selbst hinaus. Das beruhigt den übersteigerten Drang in Fällen, in denen es Herzeleid bedeuten würde, ihm nachzugeben.

Wenn du bei deiner persönlichen Inventur gründlich warst, hast du bisher eine Menge niedergeschrieben. Du hast deinen Groll aufgelistet und gründlich untersucht [analyzed]. Dir begann zu dämmern, wie nutzlos lebensbedrohlich er ist. Du hast seine furchtbare Zerstörungskraft erkannt. Du fingst an, Toleranz, Geduld und guten Willen gegenüber allen Menschen zu üben [learn], sogar gegenüber deinen Feinden, denn du betrachtest sie als Kranke. Du machtest eine Liste der Menschen, die du durch dein Verhalten verletzt hast, und bist willig, die Vergangenheit in Ordnung zu bringen, soweit du es kannst.

In diesem Buch liest Du wieder und wieder, daß Gott für uns getan hat, was wir selbst nicht für uns tun konnten. Wir hoffen, du bist jetzt davon überzeugt, daß Er deine Eigenwilligkeit beseitigen kann, die dich vom Ihm getrennt hat [blocked off]. Du hast deine Entscheidung getroffen. Du hast eine Inventur deiner gröbsten Schwierigkeiten [handicaps] geschrieben. Du hast einen guten Anfang gemacht, denn du hast einige große Brocken der Wahrheit über dich selbst geschluckt und verdaut. Willst du weitermachen?

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Stand: 27. Juni 1997