Bill's Original-Geschichte

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Anmerkung des Archivars: Druckvorlage Text (36 Seiten), diktiert von William Griffith Wilson, wahrscheinlich zwischen März und September 1938 von Ruth Hock im Büro von Hank Parkhurst 17 William Street, Newark, New Jersey, getippt und Eugen Exman von Harper's & Brother's Publishing, New York, im Frühherbst 1938 vorgelegt. Der durchgestrichene Text ist in der Druckvorlage enthalten, aber durchgestrichen.

Anmerkung d. Übers.: Die Zeilennumerierung des Originaltextes steht vor dem jeweiligen Satz. Aus stilistischen Gründen hinzugefügte Passagen stehen in [eckigen Klammern]. Formulierungen aus dem Originaltext, die aus stilistischen Gründen fallen gelassen wurden, stehen in <spitzen Klammern>. Durchgestrichene Textstellen wurden teilweise übersetzt und durchgestrichen, sofern nicht lediglich das gleiche Fragment in anderer Rechtschreibung wiederholt wurde. Solche Fragmente wurde weggelassen.


 

Kapitel 1
 

(1-3) Als ich ungefähr zehn Jahre alt war, stellten meine Eltern übereinstimmend fest, daß sie sich uneins waren, und ich zog zu meinem Großvater und meiner Großmutter. (3) Er war ein Landwirt und Holzfäller im Ruhestand. (3-4) Wenn ich ihn rückblickend sehe, war er ein sehr beachtlich Mann. (4-6) Nachdem er aus dem Bürgerkrieg zurückgekehrt war, ließ er sich in der kleinen Stadt Vermont nieder, wo ich später aufwachsen sollte. (6-9) Sein Grundkapital bestand aus einer kleinen, wenig kultivierten Farm an einem Hang, einer süßen und bereitwilligen Gattin, und einer enormem Entschlossenheit, was auch immer er versuchte, zum Erfolg zu führen. (9-11) Er war ein Mann mit einer hohen angeborenen Intelligenz, ein unersättlicher Leser, obwohl er kaum ein Erziehung im schulischen Sinne besaß. (11-12) Zu seiner Veranlagung gehörte eine Menge finanzielles Gespür und er war ein Mann mit echter Vision. (12-14) Unter anderen Bedingungen hätte er gut und gerne ein Großindustrieller oder Eisenbahnboß werden können.

(15-16) Meine Großmutter brachte drei Kinder zur Welt, von denen eins mein Mutter war. (16-17) Ihre Erzählungen von dem harten Überlebenskampf jener frühen Tage klingen mir anscheinend immer noch in den Ohren. (17-24) Da ging es um solche Sachen, wie für zwanzig Holzfäller zu kochen, sich um die Molkerei zu kümmern, die meiste Kleidung für die Familie selbst zu nähen, lange Kutschfahrten im Winter bei zwanzig [Grad] unter Null, um meinen Großvater über schneebedeckte Straßen heim zu holen, wie sie ihn lange vor Tagesanbruch fortgehen sah, um mit den [anderen] Holzfällern die Äxte aufzutauen, damit sie ihre Arbeit auf dem Berggipfel beim ersten Tageslicht anfangen konnten - das ist die Art von Tradition, nach der sie mich großzogen. (25-27) Schließlich erreichten sie ihr Ziel und legten in späteren Lebzeiten die Arbeit nieder, um ihren wohlverdienten Ruhestand, sowie die Achtung und Zuneigung ihrer Nachbarn zu genießen. (27-28) Sie gehörten zu dem Menschenschlag, der wirklich Amerika erschuf, das verstehe ich inzwischen.

(29-30) Aber ich hatte andere Ideen - viel größere und bessere, so ich dachte [jedenfalls]. (30-33) Es war mir beschieden, der Kriegsgeneration anzugehören, welche die häuslichen Tugenden vergeudete, die hart verdienten Ersparnisse, die Pioniertradition, und auch das unglaubliche Stehvermögen deiner und meiner Großvatereltern.

(34-36) Auch ich war ehrgeizig - sehr ehrgeizig, aber sehr undiszipliniert, obwohl sich jeder [in meinem Umfeld] bemühte, diesen Umstand zu korrigieren. (36-39) Ich war ein Genie im Ausweichen [und] Aufschieben oder wenn es darum ging, sich vor denjenigen Dingen zu drücken, die ich nicht tun mochte, aber sobald mich etwas voll und ganz interessierte, stürzte ich mich mit allem, was ich hatte, auf die Verfolgung meines Zieles. (39-40) Bei besonderen Unternehmungen, an denen mein ganzes Herz hing, besaß ich den eisernen Willen, um zum Erfolg zu kommen. (40-41) Da zeigten sich dann Beharrlichkeit, eine Engelsgeduld, und ein hartnäckiger Eigensinn, der mich vorantrieb. (42-45) Meinem Großvater gefiel es immer, mit mir zu streiten, mit dem Ziel, mich von der Unmöglichkeit des einen oder anderen Wagnisses zu überzeugen, um mir amüsiert zuzuschauen, wie ich "mit meiner Lanze gegen die Windmühlen anritt", die er aufgerichtete hatte. (45-47) Eines Tages sagte er zu mir, er habe gerade gelesen, daß außer einem Australier niemand auf der Welt einen Bumerang machen und werfen kann. (47-49) Dieser Funke schlug Zunder und alles mögliche und ich ließ sofort alles andere stehen und liegen, bis ich ihm beweisen konnte, daß er sich irrte. (49-51) Der Holzspeicher wurde nicht gefüllt, keine Schulaufgaben wurden gemacht, und ich ließ mich kaum noch überreden, etwas zu essen oder ins Bett zu gehen. (51-53) Nach einem oder mehreren Monaten war ein Bumerang fertig, den ich rund um den Kirchturm warf. (53-55) Als er zurückflog geriet ich vor Freude außer Rand und Band, weil er beinahe meinen Großvater geköpft hätte, der neben mir stand.

(56-57) Alsbald verließ ich die Dorfschule und machte mich auf in die große Welt, über die ich in Büchern gelesen hatte. (57-60) Meine erste Reise führte mich gerade fünf Meilen weit, bis zu einer angrenzenden Stadt, wo ich mit dem Besuch einer Bildungsanstalt begann, die in unserem Teil des Staates sehr bekannt war. (60-61) Der Wettbewerb war hier viel strenger, und ich wurde von allen Seiten herausgefordert, das scheinbar Unmögliche zu tun. (61-63) Da gab es das Fach der Leichtathletik, und ich brannte vor Ehrgeiz, ein großer Baseball Spieler zu werden. (63-70) Das war anfangs ganz schön entmutigend, denn ich war zu groß für mein Alter, ziemlich ungeschickt und mit meinen Füßen nicht sehr schnell, aber ich arbeitete daran im barsten Sinne des Wortes, während die anderen schliefen oder sich sonst irgendwie amüsierten, und in meinem zweiten Jahr wurde ich Mannschaftskapitän, woraufhin mein Interesse zu schwinden begann, denn zu diesem Zeitpunkt hatte mir irgend jemand gesagt, ich hätte kein Gehör für Musik, was beinahe wahr ist, wie ich inzwischen herausgefunden habe. (70-72) Allen Hindernissen zum Trotz gelang es mir, bei einigen Liederabenden aufzutreten, woraufhin mein Interesse am Singen verschwand, und ich ging mit furchtbarem Ernst daran, das Geigenspiel zu erlernen. (73-75) Daraus erwuchs eine richtige Besessenheit, die im letzten Jahr wuchs und zur Bestürzung meiner Lehrer und allen anderen wurde das zur unmittelbaren Ursache für mein Scheitern bei der Abschlußprüfung. (75-76) Das war meine erste große Katastrophe. (76-77) Damals war ich gerade zum Klassensprecher gewählt worden, was die Sache nur noch schlimmer machte. (78-80) Wie üblich war ich in bestimmten Studienfächern, an denen ich Gefallen fand, sehr gut, und mit den anderen [Fächern] war es genau das Gegenteil, Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit gehörten [hier] zur Tagesordnung. (80-82) So kam es dann, daß die Legende der Unfehlbarkeit, ich um mich herum aufgebaut hatte, in sich selbst zusammenfiel.

(83-85) Im darauffolgenden Sommer sah ich mich gezwungen, mich zum ersten Mal wirklich an die widerliche Aufgabe zu machen, meinen Fehlschlag wiedergutzumachen. (85-87) Obwohl mir mein Abschlußzeugnis nun ausgehändigt wurde, waren sich meine Großeltern und Eltern keineswegs darüber klar, was sie wohl am Besten als nächstes mit mir anzufangen versuchen sollten. (87-91) Aufgrund meines Interesses an wissenschaftlichen Materialien und der Vorliebe, die ich beim Herumfuhrwerken mit Apparaten und Chemikalien zeigte, wurde angenommen, daß aus mir ein Ingenieur werden sollte, und meine eigene Gelehrsamkeit richtete sich auf die Elektrobranche dieses Berufes. (91-93) Also ging ich nach Boston und unterzog mich der Aufnahmeprüfung für eine der führenden technischen Hochschulen hierzulande. (93) Aus einleuchtenden Gründen fiel ich mit Pauken und Trompeten durch. (93-95) Es war eine ziemlich herzzerreißende Angelegenheit für diejenigen, die an mir interessiert waren, und es versetzte meiner Selbstherrlichkeit einen weiteren schweren Schlag.

(96-98) Schließlich wurde der Eintritt in eine ausgezeichnete Militärakademie erwirkt, und man erhoffte sich davon, mir würde echte Disziplin beigebracht werden. (98-101) Fast drei Jahre lang besuchte ich diese Hochschule und wäre wegen mein Faulheit und Schwäche in Mathematik sicherlich am Abschlußexamen gescheitert oder nicht einmal in [absehbare] Nähe einer Qualifikation zum Ingenieur gekommen. (101-103) Insbesondere auf dem Gebiet der Differential- und Integralrechnung muß eine enorme Anzahl Formeln gelernt und deren Anwendung geübt werden. (103-106) Ich erinnere mich daran, daß ich mich absolut weigerte, irgend etwas davon zu lernen oder irgendeine Arbeit dafür zu leisten, bevor mir nicht die allgemeinen Prinzipien klargemacht worden waren, die diesem Fach zugrunde lagen. (106-109) Der Lehrer war sehr geduldig, doch schließlich schlug er vor Empörung seine Hände über dem Kopf zusammen, als ich mit ihm zu argumentieren begann und ihm dabei ziemlich deutlich zu verstehen gab, daß er sie [die Prinzipien] vielleicht selbst nicht ganz begriff. (109-113) Also begann ich in der Schulbibliothek mit einer Untersuchung der Grundsätze, die der Differential- und Integralrechnung zugrunde liegen und erfuhr ein wenig über die Vorstellungen großer Geister wie Leibniz und Newton, deren Genialität diese nützlichen und neuartigen mathematischen Kunstgriffe möglich gemacht hatte. (114-116) Somit gewappnet meisterte ich das erste Problem im Lehrbuch und begann eine erneute Kontroverse mit meinem Lehrer, der mir verärgert, doch völlig gerechtfertigt, eine Null [die schlechteste Note] für diesen Kurs gab. (116-119) Es war ein Glück für meine Zukunft an der Hochschule, daß es mir bald ermöglicht wurde, diesen Ort voller Dankbarkeit, ja geradezu heldenhaft, zu verlassen, denn die Vereinigten Staaten von Amerika waren in den Krieg gezogen.

(120-122) Da wir Zöglinge einer Militärakademie waren, rauschte die Studentenschaft fast bis auf den letzten Mann ab zum ersten Trainingslager für Offiziere in Plattsburgh. (122-124) Obwohl ich noch nicht ganz volljährig war, erhielt ich ein Patent als Unterleutnant und ließ mich der schweren Artillerie zuteilen. (124-127) Sobald die Aufregung des Tages abgeflaut war, und ich in meinem Bunker lag, mußte ich mir eingestehen, daß ich nicht getötet werden wollte, und darüber war ich insgeheim beschämt. (127-128) Dieser Verdacht, daß ich am Ende vielleicht ein Feigling war, quälte mich schrecklich. (128-130) Ich konnte ihn nicht mit der wirklich begeisterten Stimmung von Patriotismus und Idealismus in Einklang bringen, die mich ergriff, wenn ich keine Zeit zum Nachdenken hatte. (130-134) Es war sehr, sehr verletzend für meinen Stolz, obwohl diese Verletzung größtenteils behoben wurde, als ich später unter Beschuß lag und entdeckte, daß es mir nur genau wie allen anderen Menschen erging: Wir fürchteten uns zu Tode, aber wir waren bereit, die Suppe auszulöffeln.

(135-138) Nachdem ich die Artillerieschule der Armee absolviert hatte, wurde ich zu einer Garnison abkommandiert, die an der neu-englischen Küste stationiert war, in der Nähe einer <berühmten> alten Stadt, die für ihre Hochseefischerei [und ihren] Walfang, Handel und ihre Yankee-Seemannstraditionen berühmt war. (138-139) Hier fällte ich zwei Entscheidungen. (139) Die erste, und auch die beste, war zu heiraten. (139-142) Die zweite Entscheidung war ganz eindeutig die schlechteste, die ich je traf, ich machte Bekanntschaft mit John Barleycorn und entschloß mich, ihn zu mögern.

(143) Mein zukünftige Frau

(144-145) Hier brach ich auf zwei verschiedenen Wegen auf und merkte kaum, wie verschieden sie sein sollten. (145-147) Ich heiratete auf die Schnelle und trank ungefähr zur selben Zeit mein erstes Glas Alkohol, und ich beschloß, daß ich ihn mochte. (147-148) Es ist einzig und allein der unsterblichen Loyalität meiner Ehefrau und ihrem Glauben durch all die Jahre zu verdanken, daß ich heute noch am Leben bin. (149-150) Sie war ein Stadtmensch und verkörperte ein Milieu und eine Lebensart, wonach ich mich heimlich gesehnt hatte. (150-151) Ihre Familie verbrachte lange Sommer in unserer kleinen Stadt. (151-152) Jeder von ihnen genoß die Hochachtung aller Einheimischen. (152-154) Das war höchst schmeichelhaft, denn unter der Landbevölkerung herrschten starke und oft unbegründete Vorurteile gegen Großstadtmenschen. (154-155) Meistenteils fühlte ich mich anders. (155-156) Die meisten Großstädter, die ich kannte, besaßen Geld, Sicherheiten, und etwas, das mir wie eine großartige Kultiviertheit vorkam. (157) und Die meisten von ihnen hatte Stammbäume. (157-159) Da waren Diener, feine Häuser, fröhlich Festessen und all die anderen Dinge, mit denen ich gewöhnlich die Vorstellung von Vermögen und Vornehmheit verband. (159-161) Sie alle konnten mir das Gefühl von echter Unzulänglichkeit und Verlegenheit geben, wobei ich sicher bin, daß dies ganz unbewußt geschah. (161-163) Ich fing an, mich erbärmlich minderwertig zu fühlen, was gute Umgangsformen und Weltgewandtheit anbetraf. (163-166) Obwohl ich sehr stolz auf die Traditionen meiner eigenen Familie war, gab ich mich manchmal dem neidischen Wunsch hin, lieber unter anderen Umständen und mit einigen dieser Vorteile geboren worden zu sein. (166-167) Ich vermute, daß die Bauernjungen seit Urzeiten dachten und fühlten wie ich ebenso gedacht und gefühlt haben wie ich. (168-171) Ich vermute, daß diese Minderwertigkeitsgefühle dafür verantwortlich sind, daß viele von ihnen den enormen Drang empfunden haben, auf der Suche nach dem, was ihnen als wahrer Erfolg erschien, in die Städte überzusiedeln. (171-172) Obwohl es selten ans Tageslicht kam, waren dies die Gefühle, von denen ich von diesem Moment an getrieben wurde.

(173-176) Das Kriegsfieber schlug Wellen in der Stadt, die in der Nähe meiner Garnison lag, und ich entdeckte bald, daß junge Offiziere in erstklassigen Bürgerhäusern bei Festmahlzeiten sehr gefragt waren. (176-177) Soziale Unterschiede wurden beiseite gefegt und alles wurde getan, um uns behagliche, glückliche und heldenhafte Gefühle zu geben. (178-179) Sehr viele Dinge trugen dazu bei, daß ich das Gefühl bekam, ich wäre wichtig. (179-180) Ich entdeckte, daß ich hatte eine irgendwie ungewöhnliche Macht über die Männer auf dem Exerzierplatz und in den Baracken hatte. (180-181) Ich war im Begriff, dafür zu kämpfen, daß die Demokratie in der Welt gerettet werden würde. (181-182) Menschen, deren Stellung im Leben ich beneidet hatte, empfingen mich als ebenbürtig. (183-185) Meine Heirat mit einem Mädchen, das all das Beste verkörperte, was die Stadt zu bieten hatte, stand kurz bevor, und schließlich hatte ich John Barleycorn entdeckt. (185-188) Liebe, Abenteuer, Krieg, Beifall der Massen, erhabene Momente übermütig mit übermütigen Zwischenräumen - ich nahm zu guter Letzt am Leben teil und war sehr glücklich.

(189-192) Die Warnungen meiner Angehörigen und die Geringschätzung, die ich gegenüber jenen Menschen empfunden hatte, die [zwanghaft] tranken, wurden mit erstaunlicher Bereitwilligkeit beiseite gelegt, als ich entdeckte, was ein Bronx-Cocktail tatsächlich für einen Kameraden tun konnte. (192-195) Meine Phantasie wurde angefeuert - meine Zunge löste sich endlich - wunderbare Aussichten eröffneten sich nach allen Seiten, aber das allerbeste war, meine Befangenheit - meine linkische und ungeschickte Art verschwand wie ein Hauch im Wind. (195-196) Ich lebte wie Gott in Frankreich. (196-199) Zum Entsetzen meiner Braut wurde ich mich meist ganz schön betrunken, wenn ich mich mit erfahreneren Trinkern zu messen versuchte, aber dagegen wand ich ein, das wäre ziemlich einerlei, denn kurz vor Tagesanbruch machten es schließlich alle anderen ebenso. (199-203) Dann kam der Tag des Abschieds, eines verliebten Abschieds von meiner mutigen Ehefrau, den ich inmitten in einer merkwürdigen Atmosphäre nahm, einer Mischung aus Traurigkeit, hochgesteckten Zielen, dem Gefühl von freudiger Erregung, das einem Abenteuer erster Größenordnung vorausgeht. (203-205) So segelten viele von uns ‚nach drüben' und keiner von uns wußte, ob wir heimkehren würden. (205-206) Eine Zeitlang ergriff mich die Einsamkeit, aber mein neuer Freund Barleycorn nahm sich stets meiner an. (206-208) Ich dachte, ich hätte ein fehlendes Glied der Kette der Dinge entdeckt, die das Leben lebenswert machen.

(209-210) Dann w waren wir im guten, alten England, um bald den Kanal zu überqueren, hin zu dem großen Unbekannten. (210-213) Am Tag vor der Überfahrt stand ich Hand in Hand gesenkten Hauptes in der Kathedrale von Winchester, denn irgend etwas hatte mich berührt, was ich nie zuvor empfunden hatte. (213-215) In einem der seltenen Momente nüchterner Erwägung hatte ich mich gefragt, was für einen Sinn denn das Morden und Gemetzel haben könnte, an dem ich mich nun bald mit Begeisterung beteiligen sollte. (216-218) Wo könnte die Gottheit sein - könnte es so etwas geben - wo war nun der Gott der Prediger, der Gedanke, der mir immer soviel Unbehagen zu verschaffen pflegte, wenn sie über ihn redeten. (219-220) Hier stand ich nun Abgrund am Rande des Abgrunds, in welchen genau an diesem Tag Tausende fielen. (220-222) Ein Gefühl der Verzweiflung nistete sich in mir ein - wo war Er - warum kam Er nicht - und plötzlich, in diesem Moment der Dunkelheit, war Er da. (222-223) Ich fühlte eine alles umhüllende, tröstliche, mächtige Anwesenheit. (224-226) Mir standen Tränen in den Augen, und als ich mich umschaute, sah ich die Gesichter der anderen in meiner Nähe, und daß auch sie die großartige Wirklichkeit flüchtig zu sehen bekommen hatten. (226-227) Äußerst bewegt ging ich hinaus in den Hof der Kathedrale, wo ich die folgende Inschrift auf einem Grabstein las: (227-230) ‚Hier liegt ein Hampshire Grenadier - Der fand den Tod bei einem guten Dünnbier - Ein guter Soldat wird nie vergessen - Ob er nun durch die Muskete oder durch den Krug stirbt.' (230-233) Die Eine Bomberschwadron fegte im grellen Sonnenlicht über unsere Köpfe, und ich schrie zu mir selbst ‚Auf in das Abenteuer' und das Gefühl des Vorhandenseins dieser großen Anwesenheit verschwand, um jahrelang nicht mehr zurückzukehren.

(234) --- ???

(235) Ich war zweiundzwanzig, und ein grauer Veteran fremder Kriege. (236-238) Ich empfand eine ungeheure Sicherheit, was meine Zukunft anbetraf, denn war ich nicht, außer einem anderen, der einzige Offizier meines Regimentes, der ein Zeichen der Würdigung von seinen Männern erhalten hatte. (239-242) Diese Führungsqualitäten, bildete ich mir ein, würden mich bald an die Spitze irgendeines großen Wirtschaftsunternehmens katapultieren, das ich dann mit derselben beharrlichen Fertigkeit leiten würde, mit der ein Organist an seinen Registern und Tasten hantiert.

(243) Der Triumph der Heimkehr war kurzlebig. (243-245) Das beste, was ich tun konnte, war, mir einen Job als Buchhalter in der Versicherungsabteilung der einer der großen Eisenbahnen zu sichern. (246-248) Ich erwies mich als ein miserabler und aufsässiger Buchhalter und konnte keine Kritik vertragen, noch konnte ich mich so recht mit meinem Gehalt abfinden, das lediglich die Hälfte von dem betrug, was ich bei der Armee ausgezahlt bekommen hatte. (248-250) Als ich mit der Arbeit begann, befanden sich die Eisenbahnen unter staatlicher Kontrolle. (250-252) Sobald sie wieder privatisiert wurden, führte mich einer meiner ersten Wege zu ihren Inhabern, und ich wurde prompt entlassen, weil ich mit den anderen Angestellten in meinem Büro nicht Schritt halten konnte. (252-255) Über diesen Rückschlag war ich so ärgerlich, und ich fühlte mich gedemütigt, daß ich beinahe ein Sozialist wurde, um meinem Trotz gegen die bestehenden Machtverhältnisse Ausdruck zu verleihen, was für einen Vermonter ziemlich weit ging.

(256-257) Zu meinem Verdruß zog auch noch meine Ehefrau los und fand eine Stellung, die viel mehr eingebrachte, als vorher die meinige. (257-260) In meiner lächerlichen Empfindlichkeit bildete ich mir ein, daß sich ihre Angehörigen und meine neu gefundenen Großstadtfreunde über meine mißliche Lage ein bißchen lustig machten.

(261-262) Widerwillig mußte ich zugeben, daß ich nicht einmal richtig ausgebildet war, um mich auch nur in einer mittelmäßigen Stellung zu halten. (262-264) Obwohl ich wenig sagte, setzte sich die alte treibende, zwanghafte Neigung durch, mich selbst beweisen zu müssen. (264-265) Irgendwie würde ich es diesen Spöttern schon zeigen. (265-268) Mein Ingenieurstudium zu vollenden schien nicht in Frage zu kommen, teilweise aufgrund meiner Abneigung gegen Mathematik. Das einzige, was ich sonst noch besaß, waren meine Kriegserfahrungen und ein enormer Haufen zusammengewürfelter Lektüre. (268-269) Ein Jurastudium schien am naheliegendsten zu sein, und mit voller Begeisterung begann ich einen dreijährigen Abendkurs. (269-272) Unterdessen tauchte die Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit auf, ich wurde Prüfer in Strafsachen bei einer Kreditgesellschaft und verdiente fast soviel Geld wie meine Ehefrau, die mir bei meiner neuen Unternehmung beherzt den Rücken stärkte. (272-274) Die Arbeit, der ich tagsüber nachging, führte mich zur Wall Street, und ganz allmählich begann ich mich für das zu interessieren, was dort vor sich ging. (275-276) Ich begann mich zu fragen, warum ein paar Leute reich und berühmt zu werden schienen, während die Basis anscheinend Geld verlor. (276-277) Ich begann, Volks- und Betriebswirtschaftslehre zu studieren.

(278-279) Ein wenig zur Bestürzung unserer Freunde zogen wir in ein sehr bescheidenes Stadtviertel, wodurch wir Geld sparen konnten. (279-281) Als wir 1000 Dollar zusammengespart hatten, legten wir das meiste davon in Versorgungsaktien an, die damals billig und unbeliebt waren. (281-282) In bescheidener Weise war ich anfangs mit Spekulationen erfolgreich. (282-284) Der Zauber des Geschäftslebens faszinierte mich, industrielle und finanzielle Spitzenreiter wurden meine Helden. (284-285) Ich las jeden Fetzen der Finanzgeschichte, den ich in die Finger bekam. (285) Hier, dachte ich, war die Straße zum Erfolg. (286) Wie in der Episode mit dem Bumerang konnte ich an nichts anderes mehr denken. (287-288) Wie wenig begriff ich doch, daß ich eine Waffe formte, die eines Tages zurückkehren und mich in Scheiben schneiden würde.

(289-290) Weil so viele meiner Helden als Anwälte anfingen, fuhr ich unbeirrt mit dem Abendkurs fort und dachte, es würde sich als nützlich erweisen. (291-292) Ferner las ich viele Erfolgsbücher und machte viele Sachen, die Horatio Algers Kinderhelden vermutlich getan haben.

(293-295) Bezeichnenderweise fiel ich beinahe in dem Jurakurs durch, weil ich zu einer der Abschlußprüfungen zu betrunken erschien, um [klar] zu denken oder zu schreiben. (295-297) Zu dieser Zeit trank ich zwar noch nicht unaufhörlich, doch deuteten gelegentlich peinliche Vorfälle darauf hin, daß mich der Alkohol wirklich in seine Macht bekam. (298-300) Weder meine Ehefrau noch ich hatten viel Zeit für gesellschaftliche Verpflichtungen und auf jeden Fall machten wir uns bald unbeliebt, weil ich jedesmal besoffen war und in abstoßender Weise mit meinen Plänen und meiner Zukunft prahlte.

(301-302) Sie [die Ehefrau] machte sich große Sorgen und häufig führten wir lange Gespräche über diese Angelegenheit. (302-307) Ich schob ihre Einwände mit dem Hinweis beiseite, daß lebensprühende Männer fast immer tranken und geniale Männer ihre großen Projekte häufig im vergnüglichen Rausch ausdachten, und obendrein fügte ich hinzu, daß die besten und erhabensten philosophischen Gedankengebäude wahrscheinlich genau so entwickelt wurden.

(308-309) Als mein Jurastudium beendet war, wußte ich mit Gewißheit, daß ich kein Rechtsanwalt werden wollte. (309-311) Ich war mir darüber klar, daß ich mich irgendwie an dem verführerischen Strudel beteiligen wollte, den man Wall Street nennt. (311-312) Die Frage war nur, wie kommt man ins Geschäft? (312-314) Als ich mir vornahm, mich auf den Weg zu machen, um Ermittlungen über Immobilien anzustellen, lachten mich meine Börsenfreunde aus. (314-315) Sie benötigten keinen derartigen Service und machten mich darauf aufmerksam, daß ich keinerlei Erfahrung hatte. (315-318) Ich wand ein, daß ich teils als Ingenieur teils als Rechtsanwalt qualifiziert war, und, um von der Praxis zu sprechen, mir als Prüfer in Strafsachen sehr wertvolle Erfahrungen angeeignet hatte. (318-319) Ich hatte das sichere Gefühl, daß diese Vermögenswerte [die Immobilien] nicht genutzt werden konnten. (319-321) Ich war mir gewiß, daß Leute Geld durch Bürgschaften verloren, weil sie nicht genug von Unternehmensführung, Immobilien und Marktwirtschaft verstanden und keinerlei Vorstellung von der Arbeit in einer gegeben Situation hatten.

(322-328) Da mich niemand einstellen wollte und mir einfiel, daß wir inzwischen ein paar tausend Dollar besaßen, schmiedeten meine Frau und ich den verrückten Plan, uns auf den Weg zu machen und dieses Projekt auf eigene Kosten in Angriff zu nehmen, also gaben wir beide unsere Stellungen auf und brausten auf einem Motorrad mit Beiwagen los, beladen mit einem Zelt, Decken, Kleidung zum Wechseln und drei riesigen Bänden eines bekannten Nachschlagewerkes über Finanzen. (329-330) Ein paar von unseren Freunde meinten, man sollte uns für verrückt erklären, und manchmal denke ich, sie hatten recht. (330-331) Unsere erste Ausbeute war phantastisch. (331-332) Unter anderem besaß wir zwei Aktien von General Electric, die seinerzeit einen Marktwert von jeweils ungefähr 300 Dollar hatten. (333-334) Jedermann dachte, der Kurswert läge zu hoch, doch ich bestand steif und fest darauf, daß sie sich eines Tages für das fünf- oder zehnfache dieses Wertes verkaufen lassen würden. (335-336) Daher war der logischste Gedanke der Welt, sich zum Büro der Hauptverwaltung in New York zu begeben und Nachforschungen anzustellen. (336-337) War das nicht naiv? (337-338) Unser Plan bestand darin, ein Gespräch mit den Funktionären zu führen und, wenn möglich, einen Auftrag zu bekommen. (338-340) Als Arbeitskapital nahmen wir 75 Dollar von unseren Ersparnissen und gelobten, keinen einzigen Cent mehr davon [von den Ersparnissen] anzurühren. (340-342) Wir kamen in Schenectady an, ich redete mit einigen Angestellten der Gesellschaft und war hell auf begeistert von GE. (342-344) Ich wurde auf die Radioentwicklung der Firma aufmerksam und hatte das unwahrscheinliche Glück, daß ich sehr viel über die Zukunftspläne des Unternehmens erfuhr. (344-347) Es gelang mir damals, eine ziemlich intelligente Prognose des kommenden Radiobooms in die Zeitung zu setzen, die ich einem meiner Börsenmakler in der Stadt zusandte. (347-349) Um unser Arbeitskapital aufzubessern, arbeiteten meine Frau und ich für zwei Monate auf einem nahegelegenen Bauernhof, sie in der Küche, und ich im Heuschober. (349-350) Es war die letzte ehrliche Handarbeit, die ich für viele Jahre tat.

(351-353) Dann fand ich an der Zementindustrie Gefallen und wir fanden uns alsbald bei der Begutachtung einer Liegenschaft im Bezirk Lehigh im östlichen Pennsylvania wieder. (353-355) Die Situation war ungewöhnlich [gut] zum Spekulieren, also fuhr ich nach New York und beschrieb sie einem meiner Börsenfreunde. (355-357) Diesmal leckte er Blut und arrangierte ein Optionsgeschäft mit einhundert Aktien, die sofort in die Höhe zu schnellen begannen. (357-362) Wir sicherten uns ein paar hundert Dollar als Garantie für dieses Geschäft, waren damit von der Notwendigkeit zu arbeiten befreit und reisten im Laufe des kommenden folgenden Jahres durch den gesamten Südosten der Vereinigten Staaten, steckten all unsere Kraft in Projekte, ein Aluminiumwerk, den Florida-Boom, das Stahlgebiet um Birmingham, Muscle Shoals, und was nicht alles. (362-364) Unterdessen meinten meine Freunde in New York, es würde sich auszahlen, wenn sie mich wirklich anheuerten. (264) Zu guter Letzt hatte ich einen Job an der Wall Street. (364-365) Mehr noch, ich konnte über zwanzigtausend Dollar von ihrem Geld frei verfügen. (366-367) Für einige Jahre schleuderte mir das Schicksal das Glück sackweise in den Schoß, und ich machte viel mehr Geld, als für mich gut war.

(368) Es war allzu leicht.

(369-370) Unterdessen hatte die Sauferei einen sehr wichtigen und heiteren Platz in meinem Leben eingenommen. (370-373) Was waren schon ein paar hundert Dollar, wenn man sie mit Ausgelassenheit und wichtigen Gesprächen in den vergoldeten Palästen der Jazzmusik in der Oberstadt aufwog. (373-374) Meine natürliche Zurückhaltung war wie weggefegt und ich begann ein riskantes Spiel. (374-377) Wieder fing eine Legende der Unfehlbarkeit um mich herum zu wachsen an und in meinem Umfeld entwickelte sich das, was an der Wall Street ein ‚Gefolge' genannt wird, das auf dem Papier viele Millionen Dollar betrug. (377-379) Ich hatte es geschafft, also sollten die Spötter spotten und zur Hölle fahren, aber das taten sie natürlich nicht, und ich fand eine Menge Freunde für nur gute Zeiten. (379-381) Ich begann, noch mehr nach der Macht zu greifen und versuchte, mir den Weg in die Direktionen großer Gesellschaften zu erzwingen, in denen ich ganze Aktienpakete kontrollierte.

(382-383) Unterdessen hatte meine Sauferei ernsthafte Ausmaße angenommen. (383-384) Die Vorhaltungen meiner Bekannten endeten in einem bitteren Streit, und ich wurde zu einem einsamen Wolf. (384-389) Obwohl ich mich an einer ernsten Klemme vorbei deichseln konnte und es teilweise schaffte, aus Loyalität der extremen Trunkenheit herauszukommen, mich [auch noch] nicht mit dem schönen Geschlecht verwickelt hatte, gab es viele unglückliche Szenen in meiner Luxuswohnung. welche Das war eine weiträumige Etagenwohnung, denn ich hatte gleich zwei gemietet, und die Immobilienmakler schlugen mir fast die Wände ein.

(390) Im Frühling 1929 packte mich das Golffieber. (390-391) Diese Krankheit war die bis dahin schlimmste. (391-395) Ich hatte gedachte, Golf wäre ein ziemlich lauer Sport, aber ich merkte, daß einige meiner ganz schön wichtigen Freunde dieses Spiel sehr ernst nahmen, und es bot sich als Entschuldigung an, um tagsüber genauso [ausgiebig] wie am Abend zu trinken. (395-396) Außerdem hatte irgend jemand gelegentlich bemerkt, ich würde dieses Spiel nicht besonders gut spielen. (396-398) Das wirkte wie ein Funke in einem Pulverfaß, also machten sich meine Frau und ich augenblicklich auf und davon aufs Land, sie, um aufzupassen, wie ich mit Walter Hagen gleichzog. (399-400) Dann kam noch hinzu, daß es eine prächtige Gelegenheit war, um in meiner alten Heimatstadt mit meinem Geld zu protzen. (400-402) Und um ein wenig auf dem exklusiven Golfkurs herumzuballern, dessen auserwählte Mitgliedschaft aus der Großstadt mir als Junge so viel Ehrfurcht eingeflößt hatte. (402-405) So schüttelte ich die Wall Street ein wenig ab, wobei ich Unmengen von Gin erwarb trank und den tadellosen Überzug von Bräune erwarb, den man auf den Gesichtern der Wohlhabenden kennt. (405-407) Der örtliche Bankier beobachtete mich mit vergnügter Skepsis, wie ich mit dicken, fetten Schecks in seiner Bank herumwirbelte.

(408-409) Im Oktober 1929 endete die stürmische Bewegung auf meinem Bankkonto abrupt, und diesmal war ich derjenige, der ins Schleudern kam. (410-412) Da fühlte ich mich wie Stephen Leacock's Reiter, es schien als ob ich rasend schnell in alle Richtungen auf einmal galoppierte, denn die große Panik brach los. (412-413) Erst nach Montreal, dann nach New York, um mein ‚Gefolge' um mich zu versammeln, da ich dringend Unterstützung brauchte. (413-414) Ein paar verwegene Köpfe halfen mir aus, aber es nützte nichts. (414-416) Ich stutzte mir selbst die Flügel, wie eine Motte, die zu nahe an eine Kerzenflamme fliegt. (416-420) Nach einem jener Tage des ohrenbetäubenden Infernos auf dem Parkett des Börsenmarktes, wo keinerlei Informationen zu bekommen waren, taumelte ich betrunken von der Hotelbar zu einem benachbarten Maklerbüro, wo ich um acht Uhr abends fieberhaft einen riesigen Haufen von Papierstreifen, die aus dem Fernschreiber kamen, durchsuchte und ein paar Zentimeter davon abriß. (421-422) Darauf stand die Aufschrift P.F.K.32. (421-422) Die Börse hatte an diesem Morgen um 52[?] geöffnet. (422-423) Ich hatte mehr als hunderttausend Aktien unter meiner Kontrolle gehabt und besaß selbst einen ansehnliches Paket davon. (423-424) Ich wußte, daß ich erledigt war und eine Menge meiner Freunde ebenso.

(425-426) Ich ging zurück in die Bar, und nach ein paar Drinks gewann ich meine Fassung zurück. (426-427) Die Leute begannen, aus jedem Stockwerk des großen Turmes von Babel zu springen. (427-429) Zum Glück war ich nicht so schwach. (429-430) Ich erkannte, daß ich leichtsinnig gewesen war, vor allem mit dem Geld anderer Leute. (430-431) Ich hatte das Geschäft nicht im Auge behalten, und ich verdiente es, verletzt zu werden. (431-434) Nach ein paar weiteren Whiskys kehrte mein Selbstvertrauen wieder zurück, zusammen mit einer beinahe furchterregenden Entschlossenheit, irgendwie aus diesem Durcheinander Kapital zu schlagen und all meine Gläubiger auszubezahlen. (434-437) Ich betrachtete dies als eine weitere wertvolle Lektion und sann darüber nach, daß es eine Menge Gründe gab, warum die Leute an der Wall Street ihr Geld verloren, an die ich zuvor nicht gedacht hatte.

(438) Meine Frau nahm das alles mit der persönlichen Stärke hin, die sie besitzt. (438-440) Meiner Ansicht nach begrüßte sie die Situation sogar und dachte, es könnte mich zur Vernunft bringen. (440-441) Am nächsten Morgen wachte ich früh auf, zitterte fürchterlich vor Aufregung und hatte einen schrecklichen Katzenjammer. (441-446) Eine halbe Flasche Gin beseitigte meinen vorübergehenden Schwächeanfall schnell, und sobald das Geschäftsleben einsetzte, rief ich einen Freund in Montreal an und sagte - "Nun ja, Dick, sie haben mir das Fell über die Ohren gezogen" - und er sagte: "Den Teufel haben sie, los, komm hoch." (446) Das war alles, was er sagte und auf ging's.

(447-448) Ich werde die Liebenswürdigkeit und Hochherzigkeit dieses Freundes nie vergessen. (448-454) Außerdem muß ich wohl noch ein bißchen Glück in der Tasche gehabt haben, denn im Frühling 1930 ging das Leben im gewohnten Stil weiter, ich hatte einen sehr reichlichen Guthabenüberschuß aus genau den Wertpapieren, durch die ich zuvor den schwersten Verlust hinzunehmen hatte, und mit einer Fülle von Champagner und gesundem kanadischen Whisky, begann ich mich zu fühlen wie Napoleon, als er gerade aus Melba zurückkehrte. (454) Meine Unfehlbarkeit war wieder da. (454) Es gab kein Gefängnis auf St. Helena mehr für mich. (454-457) Wie sehr die Kanadier jener Tage auch an ihr Feuerwasser gewohnt sein mögen, ich begann alsbald, die meisten meiner Landsleute weit hinter mir zu lassen, sowohl als ein ernster wie auch als ein leichtsinniger Trinker.

(458) Dann schlug sich die Depression ernstlich nieder. (458-459) und ich war schlimmer als unnütz geworden, mußte widerwillig (459-462) Obwohl ich der Geschäftsführer einer Abteilung in der Firma meines Freundes geworden war, hatten mich meine Sauferei und meine gleichgültige Arroganz schlimmer als unnütz gemacht, also ließ er mich mit unguten Gefühlen gehen. (462-464) Wieder einmal waren wir bis auf den letzten Pfennig pleite, und auch an unseren Möbeln klebte schon überall der Kuckuck, denn ich konnte nicht einmal die Miete unseres protzigen Apartments für den folgenden Monat bezahlen.

(465-466) Wir fragen uns bis heute, wie wir je aus Montreal herauskamen, aber es gelang uns, und dann mußte ich demütig die Suppe auslöffeln, die ich mir eingebrockt hatte. (466-468) Wir zogen zu meinen Schwiegereltern, wo wir glücklicherweise unfehlbare Hilfe und Zuneigung fanden. (468-471) Ich fand eine Arbeit mit einem Verdienst von einhundert Dollar pro Woche, was mir wie der letzte Hungerlohn vorkam, doch eine Prügelei mit ein Taxifahrer, der sehr böse verletzt wurde, setzte dem [Trauerspiel] ein Ende. (471-473) Glücklicherweise wußte es niemand, aber ich hatte fünf Jahre lang kein festes Arbeitsverhältnis mehr, noch machte ich auch nur einen einzigen nüchternen Atemzug, soweit ich darauf Einfluß hatte.

(474-476) Am meisten fühlte ich mich gedemütigt, als meine arme Frau in ein Kaufhaus arbeiten gehen mußte und Abend für Abend heimkam, um mich wieder betrunken vorzufinden. (476-478) Ich hing wie eine Klette in Maklerbüros herum, wo ich mit der Zeit immer unbeliebter wurde, da mein Sauferei zunahm. (478-480) Von Gelegenheiten, um Geld zu verdienen wurde ich regelrecht verfolgt, doch ich verpaßte die besten davon, weil ich mich genau zur falschen Zeit besoff. (480-481) Alkohol war kein Luxus mehr für mich; er war zu einer Notwendigkeit geworden. (481-483) Die paar Dollar, die ich mitunter auftrieb, gab ich hin, um die Schankwirte bei Laune zu halten. (483-486) Um nicht der Polizei in die Hände zu fallen und aus Kostengründen, begann ich, schwarz gebrannten Gin zu kaufen, meist zwei Flaschen am Tag, und manchmal drei, wenn ich eine wirklich fachmännische Arbeit geleistet hatte. (486-487) So ging das endlos weiter und alsbald begann ich, in den frühesten Morgenstunden mit gewaltigem Schüttelfrost wach zu werden. (487-488) Nichts schien dem Einhalt gebieten zu können, außer einem Wasserglas voll Schnaps. (489-490) Wenn es mir gelang, mich aus dem Haus zu stehlen und fünf oder sechs Gläser Bier zu bekommen, konnte ich manchmal ein wenig zum Frühstück essen. (491-493) Merkwürdigerweise meinte ich noch immer, ich hätte die Situation unter Kontrolle, und zeitweilig war ich nüchtern, was die versiegende Hoffnung meiner Frau und ihrer Eltern wieder aufleben ließ. (493-494) Aber mit der Zeit wurde es immer schlimmer. (494-495) Meine Schwiegermutter starb, der Gesundheitszustand meiner Frau verschlechterte sich, und auch die Gesundheit meines Schwiegervater war angegriffen. (495-496) Das Haus, in dem wir lebten, wurde von den Gläubigern übernommen. (496-498) Ich blieb weiter hartnäckig und bildete mir immer noch ein, daß mir das Glück eines Tages wieder hold sein würde. (498-499) Sogar 1932 gewann ich noch das Vertrauen eines Mann, der Freunde mit Geld hatte. (499-502) Im Frühling und Sommer jenes Jahres trieben wir einhunderttausend Dollar auf, um Wertpapiere zu kaufen, sobald sich an der New Yorker Aktienbörse ein allgemeiner Tiefstand einstellen würde. (502-503) Ich sollte großzügig am Gewinn beteiligt werden und spürte, daß eine großartige Gelegenheit vor der Tür stand. (503-504) So ... (505-506) [Ich unternahm] eine gewaltige Sauferei, wenige Tage bevor das Geschäft abgeschlossen werden sollte.

(507-509) In gewissem Maß brachte mich das zur Vernunft. (508-509) Oftmals zuvor hatte ich meiner Ehefrau beteuert, daß ich für immer aufgehört hätte. (509-511) Ich hatte ihr Liebesbriefe geschrieben und die Deckblätter aller Bibeln im Haus mit diesem Vorsatz beschriftet. (511-513) Zwar bedeutete mir die Bibel nicht gerade viel, aber schließlich war sie das Buch, auf das man die Hand legt, wenn man vor Gericht vereidigt wird. (513-514) Wie dem auch sei, inzwischen sehe ich ein, daß ich bis zu dieser letzten Katastrophe nie den aufrichtigen Wunsch hatte, meiner Sauferei ein Ende zu setzten. (514-515) Erst damals wurde mir klar, daß ich aufhören mußte und zwar für immer. (515-517) Ich war zu der vollen Einsicht gelangt, daß ich keine Kontrolle mehr besaß, sobald ich den ersten Schluck getrunken hatte. (517) Warum sollte ich diesen einen Schluck dann nehmen? (517-518) Das war es - nie wieder sollte ein Tropfen Alkohol in irgendeiner Form über meine Lippen fließen. (518-519) Hinter dieser Entscheidung stand absolute Endgültigkeit, dachte ich. (519-520) Doch ich irrte mich auf der ganzen Linie, es ging mir äußerst schlecht und ich war fast ruiniert. (521-522) Diese Entscheidung schenkte mir ein großartiges Gefühl der Erleichterung, denn ich wußte, daß ich wirklich aufhören wollte. (522-524) Es würde nicht leicht sein, darüber war ich mir gewiß, denn ich hatte begonnen, die Kraft und die Gerissenheit meines Meisters, John Barleycorn, zu kapieren. (524-526) Die alte wilde Entschlossenheit, zu siegen, nistete sich wieder bei mir ein - nichts, dachte ich immer noch, konnte diesen Vorsatz, so wie er war, übermannen. (526-527) Wieder träumte ich von einer glücklich lächelnden Ehefrau, während ich auszog, um den Drachen zu töten. (528-529) Ich würde meinen Platz in der Geschäftswelt wieder einnehmen und das verlorene Ansehen meiner Freunde und Bekannten zurückgewinnen. (529-530) Es würde lange dauern, aber ich konnte geduldig sein. (530-532) Ich entwarf von mir das Bild eines sich bessernden Säufers, der zu frischen Höhen des Erfolges aufstieg, und diese Vorstellung trug mich fort in eine völlig verzückte Begeisterung. (532-534) Dieses Feuer nahm auch meine Frau gefangen, denn sie sah nun endlich, daß ich es ernst meinte.

(535-536) Aber schon nach kurzer Zeit kam ich wieder betrunken nach hause. (535-536) Ich konnte es wirklich nicht erklären. (536-537) Von meinen neuen Vorsätzen war mir kaum etwas eingefallen, als ich [zu trinken] begann. (537-540) Es gab keinen [inneren] Kampf - irgend jemand hatte mir einen Drink angeboten, und ich hatte ihn angenommen, zufällig, wobei ich mir sagte, ein oder zwei würden einem Mann von meinem Fassungsvermögen [schon] nicht schaden. (540-541) Was war aus meinem Riesenentschluß geworden? (541-542) Wo war meine Selbsterkenntnis geblieben? (542-543) Warum war mir kein einziger Gedanke an meine früheren Mißerfolge und meine neuen Bestrebungen in den Sinn gekommen? (543-544) Was war mit dem tiefen Wunsch, meine Ehefrau glücklich zu machen? (544-546) Warum waren mir diese Dinge - diese wirksamen Anreize nicht in den Kopf gekommen, um meine Hand zurückzuhalten, als ich sie nach dem ersten Glas ausstreckte? (546) War ich verrückt? (546-549) Diesen Gedanken haßte ich, mußte jedoch zugeben, daß eine derartige Bewußtseinsverfassung, die zu so einer entsetzlichen Gedankenlosigkeit führte, gerade dem [Wahnsinn] ganz schön nahe kam.

(550) Danach lief es für eine Weile besser. (550-551) Ich war ständig auf der Hut. (551-552) Nachdem ich zwei oder drei Wochen nüchtern geblieben war, begann ich zu denken, daß alles mit mir in Ordnung war. (552-553) Bald darauf wurde dieses leise Vertrauen durch übertriebene Selbstsicherheit verdrängt. (553-555) Ich stolzierte an meinen alten Lieblingsplätzen mit einem triumphierenden Gefühl vorbei - die Gefahr, die dort [auf mich] lauerte, war mir jetzt völlig klar. (555-556) Das Blatt hatte sich zu guter Letzt gewendet - und jetzt war ich wirklich [durch das Schlimmste] durch. (556-561) Eines Nachmittags ging ich auf meinem Heimweg in eine Bar hinein, nur um zu telefonieren, und plötzlich wandte ich mich zu dem Barkellner um und sagte: "Vier irische Whiskys - und Wasser dazu" - Er schenkte sie mit überraschtem Blick ein, und ich kann mich nur noch daran erinnern, wie ich dabei dachte - "Ich sollte das lieber nicht tun, aber sei's drum, zum letzten Mal." (561-563) Als ich den vierten [Whisky] hinunterstürzte, schlug ich mit meiner Faust auf den Tresen und sagte "Um Gottes Willen, warum habe ich das wieder getan?" (563-566) Wo war meine Erkenntnis geblieben, die mir gerade heute morgen zum Bewußtsein kam, als ich genau an diesem Ort vorbeiging, meine Einsicht, daß ich nie wieder Alkohol trinken werde. (566-567) Ich konnte darauf keine Antwort geben, Verdruß und das Gefühl einer endgültigen Niederlage überkamen mich. (567-568) Der Gedanke, daß ich vielleicht niemals aufhören könnte, erdrückte mich. (568-571) Doch als sich dann die aufheiternde Wärme dieses ersten Schluckes in mir ausbreitete, da sagte ich - "Das nächste Mal werde ich es besser deichseln, aber da ich nun schon einmal dabei bin, kann ich mich auch ruhig einmal so richtig besaufen." (571) Und genau das tat ich.

(572-573) Nie werde ich die Gewissensbisse, das Entsetzen und die völlige Hoffnungslosigkeit vergessen, die mich am nächsten Morgen packten. (573-574) Der Mut, aufzustehen und dagegen anzukämpfen, war einfach nicht da. (574-575) Noch vor Tagesanbruch hatte ich mich aus dem Haus gestohlen, mein Gehirn lief auf Hochtouren und war nicht mehr zu kontrollieren. (576) Ich hatte das schreckliche Gefühl einer bevorstehenden Katastrophe. (577-578) Ich hatte sogar Angst davor, die Straße zu überqueren, weil ich befürchtete, daß ich zusammenbrechen und von einem der frühmorgens fahrenden Lastwagen überfahren werden könnte. (578) War noch keine Bar offen? (578-582) Ah, ja, es gab doch da einen durchgehend geöffneten Laden, der Bier verkaufte - obwohl es noch vor den gesetzlichen Öffnungszeiten war, überredete ich den Mann hinter dem Imbißtresen, daß ich unbedingt einen Schluck Alkohol haben mußte, sonst würde ich womöglich auf der Stelle tot umfallen. (582-583) So kalt es am Morgen auch war, ich muß wohl ein Dutzend Flaschen Bier schnell hintereinander getrunken haben. (583-585) Endlich ließen sich meine überreizten Nerven beruhigen, ich ging zur nächsten Ecke und kaufte eine Zeitung. (585-588) Ich las, daß der Börsenmarkt wieder zum Teufel gegangen war - "Was machte das schon, der Markt würde sich wieder erholen, wie er es immer tat, aber ich bin dazu verdammt, in der Hölle zu bleiben - es gab keine steigenden Marktpreise mehr für mich. (588-589) Am Boden zerstört - welch ein Schlag für jemanden, der so stolz war. (589-590) Ich möchte mich am liebsten umbringen, aber nein - nicht jetzt." (590-592) Dies waren ein paar von meinen Gedanken - dann fühlte ich mich wie benommen - ich tappte in geistiger Umnachtung herum - dem war nur mit Schnaps abzuhelfen - also zwei Flaschen billigen Gin. (592) Totales Vergessen.

(593-595) Das menschliche Gemüt mit seinem Körper ist ein wunderbarer Mechanismus, denn das meinige hielt derartige Dinge noch zwei weitere Jahre lang aus. (595-596) Wir hatten kaum Geld, aber ich konnte mich immer besaufen. (596-597) Manchmal stahl ich aus dem mageren Geldbeutel meiner Frau, wenn mich am frühen Morgen der Wahnsinn terrorisierte. (597-600) Es gab schreckliche Szenen und obwohl ich nicht oft gewalttätig wurde, machte ich manchmal gewaltsame Sachen, schmiß eine Nähmaschine um, oder trat die Täfelungen von allen Türen im Haus ein. (600-603) Es gab Augenblicke, in denen ich schwächlich vor einem offenen Fenster schwankte oder vor der Hausapotheke, in der Gift stand - und ich verfluchte mich selbst dafür, ein Schwächling zu sein. (603-605) Wir entflohen der Stadt und fuhren auf das Land, wenn es meine Frau nicht länger mit mir im gleichen Haus ertragen konnte. (605-608) Manchmal kehrte für ein paar Wochen die Hoffnung zurück, besonders für sie, denn ich hatte sie nicht wissen lassen, wie niedergeschlagen ich wirklich war, aber es gab immer einen Rückfall in noch schlimmere Zustände. (608-612) Dann kam die Nacht, in der die körperliche und geistige Qual so höllisch war, daß ich befürchtete, ich würde mit fliegenden Fahnen durch mein Schlafzimmerfenster springen, und irgendwie brachte ich es fertig, meine Matratze hinunter in die Küche zu zerren, die zu ebener Erde war. (612-614) Ich hatte ein paar Stunden zuvor aufgehört zu trinken und hing grimmig an meinem Entschluß, daß ich in dieser Nacht nichts mehr trinken wollte, selbst wenn mein letztes Stündlein geschlagen hätte. (614-616) Es war auch sehr nahe dran, aber ich wurde zuletzt noch von einem Arzt gerettet, der mir Chloralhydrat verschrieb, ein starkes Beruhigungsmittel. (616-619) Das erleichterte mich so sehr, daß ich am folgenden Tag scheinbar ohne die gewohnten Strafen trinken konnte, wenn ich hin und wieder etwas von dem Beruhigungsmittel nahm. (619-621) Zu Beginn des Frühlings 1934 war es für alle Beteiligten zweifellos klar, daß etwas getan werden mußte und zwar sehr schnell. (621-623) Ich hatte dreißig Pfund Untergewicht, denn ich konnte nichts essen, wenn ich soff, und das war fast immer der Fall. (623-624) Meine Mitmenschen begannen, an meinem Verstand zu zweifeln, und ich hatte oft selbst das Gefühl, daß ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte.

(625-627) Mit der Hilfe meines Schwagers, der Arzt ist, wurde ich in eine bekannte Anstalt für körperliche und geistige Rehabilitierung von Alkoholikern eingewiesen. (627-630) Man meinte, wenn ich gründlich vom Alkohol entgiftet würde und sich die damit verbundene Hirnreizung zurückführen ließe, könnte ich eine Chance haben. (630-631) Ich ging mit der verzweifelten Hoffnung und Erwartung dorthin, daß ich geheilte werde. (631-632) Die sogenannte Belladonna-Behandlung, die dort praktiziert wurde, half sehr gut. (632-633) Meine Kopf wurde klar und mein Appetit kam zurück. (633-635) Wechselweise Anwendungen von Hydrotherapie, leichter Gymnastik und Entspannungsübungen bewirkten bei mir wahre Wunder. (635-636) Das Beste von allem war, daß ich in dem dortigen Chefarzt einen großartigen Freund fand. (636-644) Seine Fürsorge ging weit über den routinemäßigen Rahmen hinaus, und ich werde ihm immer dankbar sein für seine langen Gespräche, in denen er mir erläuterte, daß ich körperlich krank wurde, sobald ich trank, und daß dieser physische Notstand gewöhnlich von einem Gemütszustand begleitet wird, der bewirkt, daß die Abwehrkräfte, die ein Mensch normalerweise gegen Alkohol besitzt, außerordentlich geschwächt wurden, und obwohl das meine frühere Dummheit und Selbstsucht hinsichtlich der Sauferei in keiner Weise herabmilderte, war ich außerordentlich erleichtert, zu entdecken, daß ich vielleicht etliche Jahre lang wirklich krank gewesen war. (644-647) Darüber hinaus hatte ich das Gefühl, daß ich bei dem Verständnis und den körperlichen Voraussetzungen, die ich bekam, mit Sicherheit wieder gesund werden würde, obwohl einige der Insassen, die dort schon wiederholt gewesen waren, diese Vorstellung zu belächeln schienen. (647-650) Ich bemerkte jedoch, daß die meisten von ihnen gar nicht die Absicht hatten, aufzuhören; sie kamen lediglich dorthin, um sich ein bißchen zu erholen, damit sie erneut loslegen konnten. (650-653) Im Gegensatz zu ihnen wollte ich verzweifelt aufhören und merkwürdigerweise fühlte ich mich noch immer wie ein Mensch mit viel mehr Zielstrebigkeit und Substanz als sie, also verabschiedete ich mich dort mit hochgesteckten Erwartungen und für drei oder vier Monate schwebte ich auf einer rosaroten Wolke. (654) Ich begann allmählich, geschäftliche Fortschritte zu machen.

(655-656) Dann kam der schreckliche Tag, an dem ich wieder trank, und ich kann nicht einmal erklären, warum ich anfing. (656-657) Die Kurve meiner sinkenden Moral und meines körperlichen Wohlbefindens Gesundheit neigte sich wie eine Sprungschanze. (658) Nach einer hektischen Saufphase befand ich mich wieder...

[Anmerkung des Archivars: Die Zeilen 659 bis 679 fehlen]

(680-686) Alle kamen zu der Überzeugung, daß ich eingesperrt werden müßte, andernfalls würde ich einem elenden Ende entgegentorkeln, aber bald sollte sich zeigen, daß es in der Tat kurz vor der Dämmerung oft am dunkelsten ist, denn es stellte sich heraus, daß diese Sauftour meine letzte sein sollte, und ich bin höchst zuversichtlich, daß die glückliche Verfassung, in der ich mich gegenwärtig befinde, für immer andauern wird.

(687-688) Gegen Ende November saß ich an einem späten Nachmittag allein zu Hause in der Küche. (689-690) Wie gewöhnlich war ich halbwegs betrunken und war voll genug, so daß die scharfen Kanten meiner Gewissensbisse abgestumpft waren. (690-693) Mit gewisser Befriedigung dachte ich daran, daß genug Gin im Haus versteckt war, so daß ich die Nacht und den kommenden Tag einigermaßen bequem überstehen konnte. (693-694) Meine Frau war bei der Arbeit und ich nahm mir vor, nicht in allzu schlechter Verfassung zu sein, wenn sie heim kam. (695-696) Meine Gedanken kehrten zu den verborgenen Flaschen zurück und ich überlegte sorgfältig, wo jede einzelne versteckt war. (696-699) Diese Dinge muß man fest im Kopf haben, um der Tragödie zu entgehen, frühmorgens aufzuwachen und nicht in der Lage zu sein, wenigstens ein Wasserglas voll Schnaps zu finden. (699-701) Gerade als ich versuchte, die [schwierige] Entscheidung zu fällen, ob ich das Risiko eingehen sollte, eine der vollen [Flaschen] in Reichweite meines Bettrandes zu verbergen, klingelte das Telefon.

(702-704) Am andere Ende der Leitung Aus dem Hörer kam die Stimme eines alten Schulfreundes und Saufkumpans aus der beschwingten Zeit. (704-705) Gleich als wir uns begrüßt hatten, spürte ich, daß er nüchtern war. (705-707) Das kam mir eigenartig vor, denn seit Jahren konnte sich niemand in New York daran erinnern, ihn irgendwo in dieser Verfassung gesehen zu haben. (707-708) Ich hatte ihn für einen weiteren hoffnungslosen Verehrer Bacchus' gehalten. (708-710) Es kursierten Gerüchte, daß er in eine staatliche Einrichtung für alkoholbedingten Wahnsinn zwangseingewiesen worden war. (710-711) Ich fragte mich, ob er nicht vielleicht gerade ausgebrochen war. (711-712) Natürlich wollte er auf der Stelle zu uns herüberkommen und mit uns zu Abend essen. (712-713) Das war eine gute Idee, denn dann hätte ich eine Entschuldigung, um in aller Offenheit mit ihm zu trinken. (713-716) Ja, wir würden versuchen, den Geist vergangener Zeit wieder aufleben zu lassen und könnten vielleicht [sogar] meine Frau dazu überreden, sich uns anzuschließen, was sie mitunter zur Selbstverteidigung tat. (716-717) Ich dachte nicht einmal an den Schaden, den ich ihm zufügen könnte. (717-719) Es sollte ein Vergnügen werden, und wie ich hoffte, ein spannendes Zwischenspiel zu dem, was ein trostloser Einöde Kreislauf der Einsamkeit geworden war. (719-720) Ein weiteres Glas regte meine Phantasie an; dies wäre eine Oase in der trostlosen Einöde. (720-721) So war's recht - eine Oase. (721) Trinker sind nun einmal so.

(722-723) Die Tür ging auf, und da stand er, ganz aufrecht und glühend. (723-725) Seine tiefe Stimme donnerte vergnügt drauflos - sein Gesichtsausdruck - seine Augen - die Frische seines Aussehens - das war mein alter Schulfreund [wie er leibte und lebte]. (725-727) Doch da war ein unterschwelliges Etwas oder eine irgendwie andersartige augenblickliche Erscheinung, die ich trotz meines benebelten Zustandes wahrnehmen konnte. (727-729) Ja - da war gewiß noch etwas anderes - er war auf unerklärliche Weise verändert - was war mit ihm geschehen?

(730-732) Wir saßen am Tisch und ich schob ein kräftiges Glas Gin mit einem Schuß Ananassaft in seine Richtung. (732-733) Ich dachte, wenn meine Frau hereinkäme, wäre sie erleichtert, daß wir ihn nicht pur tranken ---

(734) "Jetzt nicht," sagte er. (734-736) Ich war ein wenig geknickt darüber, obwohl ich froh war, zu erfahren, daß es jemanden gab, der in so einem Moment einen Drink ablehnen konnte - ich wußte, ich konnte das nicht. (737) "Saufpause?" fragte ich. (737-738) Er schüttelte den Kopf und schaute mich mit schelmischem Grinsen an.

(739-740) "Willst Du nicht etwas trinken?" - Ich forderte ihn jetzt heraus.

(741) "Besten Dank, aber nicht heute abend." (742) Ich war enttäuscht, aber auch neugierig. (742-743) Was war in diesen Burschen gefahren - er war nicht mehr alte.

(744-746) "Nein, er ist nicht derselbe - er ist irgendwie anders - nicht nur das, entweder - er ist der alte, und noch etwas dazu, oder möglicherweise fehlt irgend etwas an ihm." (746-748) Ich konnte mir keinen Reim daraus machen - sein ganzes Verhalten schien ausrufen zu wollen, daß irgendein sehr bedeutsames Ereignis stattgefunden hatte.

(749-750) "Nun komm, was hat das alles zu bedeuten?" fragte ich. (750-751) Lächelnd, und dennoch ernsthaft, schaute er mir tief in die Augen und sagte "Ich bin zur Religion bekehrt worden."

(752-754) Das war es also: Im vergangenen Sommer noch ein alkoholisierter Spinner - in diesem Frühling ein keusches Lamm Gottes. (754) Um Himmels willen, es könnte sogar noch schlimmer sein. (754-755) Ich war wie vom Blitz getroffen, ausgerechnet er. (755-756) Was in aller Welt sollte man bloß zu dem armen Kerl sagen.

(757-760) Also platzte ich schließlich heraus: "Das ist fein." Ich lehnte mich zurück und wartete auf einen glühend heißen Redeschwall über das Seelenheil, die Geschichte vom Kreuz, vom Heiligen Geist, und vom Teufel dazu. (760-761) Ja, er hatte tatsächlich diesen leuchtenden Blick, der alte Junge hatte Feuer gefangen. (761-762) Na gut, meinen Segen hat er, soll er sich ausquatschen. (762-763) Es war doch letztendlich gut, daß er nüchtern war. (763-765) Ich konnte das jedenfalls aushalten, denn ich hatte Gin in Hülle und Fülle und es tröstete mich ein wenig, daß ich meine Ration für morgen noch nicht gleich aufbrauchen mußte.

(766-777) Alte Erinnerungen an die Sonntagsschule - das Abstinenzgelübde, zu dem man sich bekannte und das ich nie ablegte - der Klang der Stimme des Predigers, die man an stillen Sonntagvormittagen weit über den Berghang hinaus bis jenseits der Eisenbahnschienen hören konnte, - die stille Verachtung meines Großvaters gegenüber Dingen, die ihm einige Kirchenleute antaten - seine gerechte Einstellung, daß ich mir selbst ein Urteil über diese Dinge bilden sollte - seine Überzeugung, daß die Ängste Sphären tatsächlich ihre eigene Musik hatten - wie er jedoch den Predigern das Recht absprach, ihm erzählen zu wollen, wie er zuzuhören hätte - das gänzliche Fehlen von Furcht, als er diese Dinge kurz vor seinem Tod zur Sprache brachte - all diese Erinnerungen aus meiner Kindheit stiegen plötzlich in mir hoch, als ich meinem Freund zuhörte. (778-780) Einen Moment lang hatte ich plötzlich das Gefühl, das ich kotzen müßte, auf dem Höhepunkt meiner priesterfeindlichen, anti-kirchlichen Resentiments, die mir hochkamen. (780-781) Diese Gefühle wichen bald einer respektvollen Aufmerksamkeit, als mein früherer Saufkumpan weiterplapperte. (782-785) Ohne es zu wissen, stand ich am großen Wendepunkt meines Lebens - ich war an der Schwelle zu einer vierten Dimension des Daseins. Ich hatte stets mit großen Zweifeln zugehört, wie manche Leute diese Dimension beschrieben und andere vorgaben, sie zu besitzen.

(786-787) Er unterbreitete mir einen einfachen Vorschlag. (787-790) Er war so einfach und so wenig mit der Theologie und den Dogmen verschlungen, die ich mit Religion in Zusammenhang gebracht hatte, daß ich erstaunt und entzückt war. (791-793) Ich war überrascht, weil etwas so einfaches dieses prägnante Ergebnis vollbringen konnte, das ich nun in der Person meines Freund erblickte. (793-795) Wenn ich sage, ich war entzückt, so ist das mild ausgedrückt, denn mir wurde klar, daß ich mich auch auf dieses Programm stürzen konnte. (796-798) Wie fast die meisten Menschen hatte ich wahrhaftig an die Existenz einer Kraft geglaubt, die größer war als ich selbst; wahre Atheisten gibt es wirklich sehr selten. (799-782[802]) Es erschien mir immer schwieriger und unlogischer, ein Atheist zu sein, als zu glauben, daß dem Universum ein gewisses Maß an Gesetz und Ordnung und ein Ziel zugrunde liegen. (782[802]-809) Der Glaube eines Atheisten an seine Überzeugungen ist weitaus blinder, als der eines religiösen Menschen, denn er führt unvermeidbar zu der absurden Schlußfolgerung, daß sich der ausgedehnte und sich ewig wandelnde Kosmos ursprünglich aus dem Nichts entwickelte, und jetzt sein gegenwärtiges Stadium durch eine Reihe von zufälligen Ereignissen erreicht hat, von denen einer der Mensch ist. (809-814) Meine Vorliebe für wissenschaftliche Dinge hatte mich dazu ermutigt, solche Fragen wie die Evolutionstheorie [und] die Natur der Materie an sich, wie sie aus den Augen der großen Chemiker, Physiker und Astronomen gesehen wird, näher zu betrachten, und ich hatte viel über die Frage nach dem Sinn des Lebens an sich nachgegrübelt. (815-816) Die Chemiker hatten gezeigt, daß materielle Stoffe überhaupt nicht das sind, was sie zu sein scheinen. (816-821) Ihre Forschung deutet auf den Schluß, daß die Elemente und die Myriaden von Kombinationen daraus in letzter Konsequenz nichts anderes als verschiedene Anordnungen eines universalen Etwas sind, was sie nach eigenem Gutdünken Elektron nannten. (821-824) Die Physiker und die Astronomen hatten mir gezeigt, daß unser Weltall in Bewegung ist und sich nach vielen genauen und wohlverstanden Gesetze entwickelt. (824-828) Sie können bis auf die Sekunde genau vorhersagen, wann die nächste Sonnenfinsternis an dem Ort stattfinden wird, wo ich jetzt gerade bin, oder an welchem genauen Tag in mehreren Jahrzehnten von heute an gerechnet der Halleysche Komet wieder seine Wende um die Sonne machen wird. (828-834) Mit riesigem Interesse erfuhr ich von diesen Menschen, daß große kosmische Ereignisse auftreten, deren Bedingungen ausnahmslos nach den Naturgesetzen zustande kommen, und zwar insofern, daß sie neue und unerwartete Entwicklungen in Gang setzen, die ganz logisch ablaufen, sobald das sogenannte Ereignis stattgefunden hat. (834-839) Es ist zum Beispiel sehr wahrscheinlich, daß unsere Erde der einzige Planet im Sonnensystem ist, auf dem sich Menschen entwickeln konnten - und einige Astronomen behaupten, daß die Chance, daß ähnliche Planeten irgendwo anders im Weltall existieren, ziemlich gering ist. (839-842) Da hätte eine große Anzahl von Zufällen zusammenwirken müssen, um die genauen Bedingungen von Licht, Wärme, Nahrungsmittelversorgung usw. zustande zu bringen, um das Leben, wie wir es hier kennen, in Gang zu halten. (842-845) Aber ich fragte mich häufig, warum sollten wir die Erde in einem System, das in so vielerlei Hinsicht das großartigste Gesetz und die beste Ordnung zeigt, als ein zufälliges Ereignis betrachten? (845-846) Wenn all diese Gesetz existierten, wie könnte es dann so viel Gesetzmäßigkeit ohne eine Intelligenz geben? (846-850) Und wenn es eine Intelligenz gab, die großartig genug war, um feste Gestalt anzunehmen und ein Weltall in Ordnung zu halten, mußte sie notwendigerweise die Kraft haben, zufällige Ereignisse erzeugen und Ausnahmen zu machen.

(851-854) Die Evolutionisten brachten mit großartiger Logik die Behauptung hervor, daß unser Leben auf diesem Planet mit der primitiven Amöbe begann, einer einfachen Zelle, die in vergangenen Äonen in den Ozeanen hauste. (854-861) Durch unzählige eigenartige Kombinationen von Logik und Zufall entstanden der Mensch und all die anderen Lebensformen, aber der Mensch besaß ein Bewußtsein seines Selbst, eine Kraft, vernünftig zu denken und zu entscheiden, und eine kleine, leise Stimme, die ihm den Unterschied zwischen richtig und falsch sagte, und der Mensch wurde immer geschickter darin, mit seinen Händen und Werkzeugen die Schöpfungen seines eigenen Verstandes zu gestalten. (862-868) Er konnte den Naturgesetzen Richtung und Ziel geben, und so erschuf er für sich selbst scheinbar neue Dinge aus einer Vernetzung, die aus seiner früheren Erfahrung und seinen neuen Ideen bestand. (868-870) Deshalb scheint sich meiner Ansicht nach der Mensch, obwohl er anderen Lebensformen in vielerlei Hinsicht ähnelt, doch sehr von ihnen zu unterscheiden. (870-871) Es war offensichtlich, daß er in eingeschränkter Form sogar Gott spielen konnte.

(872-875) So sah das Bild aus, das ich von mir selbst und der Welt, in der ich lebte, entworfen hatte, nämlich daß es einen mächtig Rhythmus, Intelligenz und einen Zweck hinter dem Ganzen gab, allen Widersprüchen zum Trotz. (875-876) Ich hatte eigentlich stark geglaubt.

(877-879) Noch nie zuvor hatte ich mir Gott und mein persönliches Verhältnis zu Ihm stärker vergegenwärtigt. (879-881) Meine Ansichten von Gott waren akademisch und abwägend, wenn ich an ihn dachte, was in der Vergangenheit seit einigen Jahren nicht sehr oft vorgekommen ist. (881-883) Daß Gott Intelligenz, Kraft und Liebe war, auf die ich mich als Individuum vollständig verlassen konnte, war mir nie ernsthaft in den Sinn gekommen. (884-888) Natürlich wußte ich was Theologen im allgemeinen behaupteten, aber ich konnte nicht einsehen, daß religiöse Menschen schlechthin mehr Kraft, Liebe und Intelligenz zeigen sollten, als diejenigen, die keine besondere Göttliche Fügung für sich in Anspruch nahmen. (888-892) Obwohl ich zugab, daß das Christentum einen wunderbaren Einfluß ausüben müßte, war ich verärgert, empört und bestürzt darüber, was für eine Haltung die Christen einnahmen, welche Glaubenssätze sie vertraten und was für Dinge sie im Namen Christi getan hatten. (892-895) Menschen wie meinesgleichen waren verbrannt worden, und ganze Völker waren mit Feuer und Schwert unter dem Vorwand ausgerottet worden, daß sie nicht den gleichen Glauben hatten, wie die Christen. (895-897) Die Geschichte lehrte, daß Christen nicht die einzigen Übeltäter in dieser Hinsicht waren. (897-899) Es schien mir im großen und ganzen kaum einen Unterschied auszumachen, ob man ein Mohammedaner, Katholik, Jude, Protestant oder Hottentotte war. (900-901) Es wurde von einem erwartet, den Glaubensansatz seiner Mitmenschen schief anzusehen. (901-902) Niemand konnte erlöst werden, es sei denn, er schloß sich deiner Vorstellung an. (902-904) Ich empfand eine große Bewunderung für Christus als Mensch, der das praktizierte, was er predigte und damit ein wunderbares Beispiel abgab. (905-907) Es war nicht schwer, den moralischen Grundsätzen seiner Lehre zuzustimmen, doch wie die meisten Leute, zog ich es vor, einige dieser Moralmaßstäbe im Leben zwar anzustreben, andere aber wiederum nicht. (908-911) Auf alle Fälle dachte ich, daß ich von guter Moral ebensoviel wie jeder andere verstand, und mit Ausnahme meiner Sauferei fühlte ich mich den meisten Christen, die ich kannte, überlegen. (911-915) Ich mochte vielleicht in mancher Hinsicht schwach sein, aber schließlich war ich nicht scheinheilig, also besaß ich nur geringfügiges Interesse am Christentum, abgesehen von den moralischen Grundsätzen seiner Lehre und dem Guten, was es hoffentlich unter dem Strich leistete.

(916-920) Manchmal wünschte ich mir, daß ich von früher Kindheit an religiös erzogen worden wäre, damit ich die behagliche Selbstsicherheit bei den vielen Dingen hätte, bei denen ich es unmöglich fand, irgendein klares Urteil zu fällen. (920-926) Die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, die vielen abstrakten theologischen Begriffe und die scheinbaren Widersprüche - all diese Dinge erschienen mir rätselhaft und ärgerten mich letztendlich, denn religiöse Menschen wollten mir weis machen, um einer von ihnen zu werden, müßte ich viele Dinge glauben, die scheinbar unmöglich waren. (926-930) Dieses Beharren ihrerseits und zusätzlich der mächtige Wunsch, auch die weltlichen Dinge in diesem Leben zu besitzen, solange dafür noch Zeit war, hatte die Vorstellung eines persönlichen Gottes im Laufe der Jahre immer mehr aus meinem Bewußtsein verdrängt. (930-931) Und meine [christlichen] Überzeugungen waren durch meine eigenen Mißgeschicke keineswegs bestärkt worden. (931-934) Der große Krieg und seine Nachwirkungen schienen mir gewiß mehr die Allmacht des Teufels zu demonstrieren als die liebevolle Fürsorge eines allmächtigen Gottes.

(935-940) Nichtsdestotrotz saß ich hier einem Menschen gegenüber, der von einem persönlichen Gott sprach, der mir erzählte, wie er Ihn gefunden hatte, der mir beschrieb, wie ich dasselbe tun könnte und der mich total davon überzeugte, daß irgend etwas in seinem Leben eingetreten war, was ein Wunder vollbracht hatte. (940-942) Der Mann war völlig verwandelt, es war nicht zu leugnen: Er war wiedergeboren worden. (942-945) Er strahlte irgend etwas aus, das meinen unruhigen Geist besänftigte, als ob der frische, saubere Wind vom Berggipfel durch mich hindurch wehte - ich sah und fühlte mich in einer großartigen Woge der Freude. (945-948) Ich begriff, daß die Anwesenheit eines großartigen Geistes, die ich an jenem Kriegstag in der Kathedrale von Winchester gespürt hatte, wieder zurückgekehrt war.

(949-950) Als er weitersprach, begann ich mich selbst in einem überirdischen Spiegel zu sehen. (950-951) Ich sah, wie lächerlich und nutzlos meine ganze Lebensgrundlage gewesen war. (951-955) Während ich mitten auf der Bühne meines Lebensschauplatzes stand, hatte ich fieberhaft versucht, alle Ideen, Dinge und Menschen, ja sogar Gott, nach meinem eigenen Geschmack und zu meinem eigenen Nutzen anzuordnen und das zutage zu fördern, was ich für das wahre Glück gehalten hatte. (955-956) Es war wahrhaftig eine plötzliche und atemberaubende Erleuchtung. (956-958) Da tauchte der Gedanke auf: "Das Tragische an dir ist, daß du Gott gespielt hast." (958) Daß war der kritische Punkt: Gott zu spielen. (958-962) Dann wurde mir plötzlich das Komische an der Situation klar: Hier stand ich als ein winziges Sandkorn an den unendlichen Ufern des großartigen Universums Gottes, und hatte versucht, Gott zu spielen. (962-963) Ich dachte wirklich, ich könnte all die anderen kleinen Sandkörner um mich herum ganz nach meinem eigenen Belieben ausrichten. (964-965) Und wenn einst mein letztes Stündlein geschlagen hat, würden die Leute weinen und in ehrfürchtigem Ton sagen: "Wie wunderbar."

(966-969) Die nächste Frage war also: Wenn ich nicht mehr Gott sein sollte, wie würde ich dann ein neues Verhältnis zu meinem Schöpfer - eine Beziehung zu dem allmächtigen Vater des Lichtes, der über allem wacht - finden und vervollkommnen? (969-972) Mein Freund legte mir die Voraussetzungen und Bedingungen dar, und sie waren zwar einfach, aber nicht leicht, rigoros und dennoch großzügig und für jeden ehrlichen Menschen akzeptabel, welchen Glauben oder Mangel an Glauben er auch haben mochte. (972-974) Er behauptete mir gegenüber nicht, daß dies die einzigen Voraussetzungen waren - er sagte lediglich, daß es Bedingungen waren, die in seinem Fall etwas bewirkt hatten. (974-976) Es waren spirituelle Prinzipien und praktische Regeln, die seiner Meinung nach in allen bedeutenden Religionen und Philosophien der Menschheit üblich waren. (976-983) Er betrachtete sie als Startblock zu ein besseren Verständnis unserer Beziehung zum Geist des Universums und als einen praktischen Satz von Richtlinien, die aufzeigen, wie dieser Geist in und durch uns wirken könnte, damit wir Vorkämpfer und wirksamere Befürworter von Gottes Willen für unser Leben und unsere Mitmenschen werden könnten. (981-983) Das Großartige an der ganzen Idee war, daß durch ihre Einfachheit und ihren Spielraum der Glaube keines wirklich religiösen Menschen beeinträchtigt werden würde, ganz gleich wie seine Erziehung aussah. (984-988) Für den Mann auf der Straße, der sich über solche Sachen nur wunderte, war es ein glücklicher erster Schritt, denn mit einem kleinen Ansatz im Glauben und einer sehr großen Portion von Taten nach spirituellen Richtlinien konnte er mit Gewißheit im Rahmen eines praktisch durchführbaren Lebensplans für vierundzwanzig Stunden am Tag die Kraft und die Liebe Gottes demonstrieren.

(989) Folgendes empfahl mir mein Freund zu tun: (989-995) Erstens, daß ich mein Gesicht Gott, wie ich Ihn verstand, zuwende und zu Ihm mit Ernsthaftigkeit, vollständiger Ehrlichkeit und ohne jede Zurückhaltung sage, ich stelle von nun an mein Leben für immer unter Seine Fügung und Führung, Zweitens daß ich dies im Beisein eines anderen Menschen tue, der jemand sein sollte, in den ich Vertrauen besitze, und falls ich Mitglied einer religiösen Organisation sei, mit einem geeigneten Vertreter dieser Körperschaft. (995-997) Zweitens: Nachdem ich diesen ersten Schritt gemacht habe, sollte ich mich als nächstes auf Gottes Begleitung vorbereiten, indem ich eine gründliche und mitleidlose Inventur meiner moralischen Fehler und Versäumnisse mache. (997-1000) Diese sollte ich ohne jeglichen Hinweis auf andere Leute machen, und ihr tatsächlicher oder eingebildeter Anteil an meinen Mängeln sollte strengstens ausgeschlossen werden - "Wo habe ich versagt?" - das ist die primäre Frage. (1000-1002) Ich sollte mein Leben von Anfang an durchforsten und im Licht meines augenblicklichen Verständnisses feststellen, wo ich als ein vollständiger moralischer Mensch versagt hatte. (1002-1003) Vor allen Dingen mußte ich bei der Erstellung dieser Beurteilung völlig ehrlich vor mir selbst sein. (1003-1005) Um der Gründlichkeit nachzuhelfen und damit ich am Ende ein sichtbares Ergebnis hätte, könnte ich möglicherweise Bleistift und Papier benutzen. (1005) Zuerst sollte ich mir die Frage nach der Ehrlichkeit vornehmen. (1005-1006) Wo, wie und mit wem war ich jemals unehrlich gewesen? (1006-1007) In jeder Hinsicht. (1007-1008) Welche Einstellungen und Handlungsweisen, die nicht vollständig aufrichtig vor Gott, vor mir selbst oder vor meinen Mitmenschen sind, besitze ich immer noch? (1008-1010) Ich wurde warnend darauf hingewiesen, daß niemand von sich sagen kann, er sei ein vollständig ehrlicher Mensch. (1010) Das wäre übermenschlich, und wir Menschen sind nun einmal nicht so. (1011-1012) Noch sollte mich dazu verleiten lassen, darüber nachzudenken, wie ehrlich ich im einzelnen bin. (1012-1013) Ich sollte ohne Rücksicht auf Verluste all meine Unehrlichkeit aus der Vergangenheit ausgraben und sie schriftlich auflisten. (1013-1015) Als nächstes sollte ich einen weiteren Bereich erkunden, der mit dem ersten mehr oder weniger verwandt und im allgemeinen bei den meisten Leute ein sehr mangelhaftes Gebiet ist. (1015-1017) Ich sollte mein Sexualverhalten seit meiner Kindheit überprüfen und peinlich genau mit dem vergleichen, was meiner Ansicht nach das richtige Verhalten gewesen wäre. (1017-1024) Mein Freund erläuterte mir, daß die Menschen überall auf der Welt höchst unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was ein makelloses Sexualverhalten ausmacht, folglich sollte ich in die Maßstäbe für meine Fehler in diesem speziellen Bereich nicht an irgendwelchen übernommenen Normen naiver Tugend festmachen und bewerten, sondern ich sollte lediglich Gott bitten, mir in dieser Hinsicht den Unterschied zwischen richtig und falsch zu zeigen und mir Hilfe, Kraft und Ehrlichkeit zu schenken, damit ich meine Fehler nach dem wahren Gebot meines eigenen Gewissens aufzeichnen kann. (1024-1025) Dann möge ich die verwandten Fragen von Habgier, Selbstsucht und Gedankenlosigkeit aufgreifen. (1025-1026) Inwieweit und in welchem Zusammenhang hatte ich mich in diese Umstände verirrt und inwieweit und in welchem Zusammenhang irrte ich heute noch darin herum? (1027-1028) Mir wurde versichert, ich könnte eine schöne, lange Liste machen, wenn ich ehrlich und tatkräftig genug heranging. (1028-1030) Dann war da noch die Frage nach echter Liebe für all meine Mitmenschen, einschließlich meiner Familie, meiner Freunde und Feinde. (1030-1031) War ich zu all diesen Menschen jederzeit und überall ganz liebevoll gewesen? (1031-1032) Wenn nicht, mußte es auch ganz genau aufgeschrieben werden und natürlich kann jeder Mensch unter dieser Rubrik eine Menge bei sich eintragen.

Kapitel 2

(Groll, Selbstmitleid, Furcht, Stolz)

(1033-1037) Mein Freund wies darauf hin, daß Groll, Selbstmitleid, Furcht, Minderwertigkeitsgefühl, Stolz und Geltungsbedürfnis Dinge Haltungen waren, die bewirkten, daß man die Dinge nicht mehr im richtigen Verhältnis zueinander sah und gewöhnlich verschloß man sich vor Gott und seinen Mitmenschen, um solche Gefühlswallungen und Einstellungen am Leben zu halten. (1037-1039) Deshalb wäre es für mich notwendig, mich selbst in dieser Hinsicht kritisch zu prüfen und meine Schlußfolgerungen niederzuschreiben.

(1040-1046) Schritt Nummer drei verlangte, daß ich meine persönliche Inventur sorgfältig durchsehe und zu der klaren Überzeugung gelange, daß ich nun bereit war, mich von all diesen Fehlern frei zu machen. Außerdem sollte ich einsehen, daß dies nicht von mir allein erreicht werden würde, deshalb sollte ich Gott demütig bitten, daß er diese Behinderungen von mir nehme. (1046-1049) Um sicherzustellen, daß dies wirklich mein aufrichtiger Wunsch geworden war, sollte ich mich mit einem beliebigen Menschen meiner eigenen Wahl zusammensetzen und ihm ohne den geringsten Vorbehalt alles offenbaren, was das Ergebnis meiner Selbstbewertung war. (1049-1050) Von diesem Punkt an sollte ich ganz und gar aufhören, allein zu leben. (1050-1055) Dadurch sollte ich mich in Zukunft von jenen Dingen frei halten, die Gottes Kraft außen vor ließen. Es wurde erläutert, daß ich in meinem eigenen Licht gestanden hatte, meine spirituelle Innenausstattung war wie ein durch sehr schmutzige Fenster verdunkelter Raum gewesen und das ganze wurde unternommen, um sie zu putzen und sauber zu halten. (1055-1059) So sollte mein Hausputz vollendet werden. Es würde schwierig werden, wirklich ehrlich vor sich selbst und Gott und vielleicht auch noch einem anderen Menschen gegenüber vollständig ehrlich zu sein und ihm die Wahrheit zu erzählen, ich könnte jedoch absolut sicher sein, daß meine Selbsterforschung ehrlich und wirkungsvoll gewesen war. (1060-1062) Darüber hinaus würde ich meinen ersten spirituellen Schritt um meiner Mitmenschen willen unternehmen, für etwas, wovon ich sagen könnte, es hätte der Person, zu der ich sprach, zu einem besseren Selbstverständnis verholfen. (1063-1064) Auf diese Weise würde ich beginnen, die Mauern einzureißen, die ich durch meine vielfältigen Formen des Eigensinns aufgebaut hatte. (1064-1067) Ich wurde warnend darauf hingewiesen, daß ich einen Menschen auswählen sollte, der durch das, was ich zu sagen hatte, in keiner Weise verletzt oder beleidigt werden würde, denn ich dürfte nicht erwarten, ich könnte mein spirituelles Wachstum auf Kosten eines anderen beginnen. (1068-1070) Mein Freund versicherte mir, ich würde nach der Vollendung dieses Schrittes zweifellos ein überwältigendes Gefühl der Erleichterung spüren, begleitet von der völligen Überzeugung, daß ich zu guter letzt auf dem rechten Weg war. (1071-1074) Schritt Nummer vier verlangte, daß ich offen zugab, daß meine Abweichungen vom rechtschaffenen Denken und Handeln andere Leute verletzt hatte. Deshalb mußte ich mich daran machen, den Schaden nach besten Kräften ungeschehen zu machen. (1074-1075) Es wäre ratsam, eine Liste aller Personen zu machen, die ich verletzt oder zu denen ich schlechte Beziehungen hatte. (1075-1078) Den Menschen, die ich nicht leiden konnte und denjenigen, die mich verletzt hatten, sollte ich vorrangige Aufmerksamkeit widmen, vorausgesetzt, ich hatte sie verletzt oder hegte immer noch irgendein nachtragendes Gefühl gegen sie. (1078-1084) Unter keinen Umständen sollte ich über ihre Fehler oder Missetaten nachdenken. Dann sollte ich an diese Leute herantreten und ihnen erzählen, ich hätte eine Lebensweise begonnen, bei der es erforderlich war, daß ich mit jedem Menschen eine freundliche und hilfreiche Beziehung pflege, daß ich erkannte hatte, in den betreffenden Einzelheiten im Irrtum gewesen zu sein, daß mir das, was ich getan oder gesagt hatte, leid tat, und daß ich gekommen war, um die Dinge in Ordnung zu bringen, soweit mir das möglich war. (1084-1085) Unter keinen Umständen sollte ich mich in eine Auseinandersetzung oder einen Meinungsstreit verwickeln. (1085-1086) Es ging darum, meine eigenen Missetaten zuzugeben und richtig zu stellen, und das war alles. (1086-1088) Ich sollte versichern, daß ich bereit war, jede beliebige Unannehmlichkeit auf mich zu nehmen, um das Richtige zu tun. (1088-1090) Wieder wurde ich warnend darauf hingewiesen, es sei einleuchtend, daß ich keinerlei Wiedergutmachung auf Kosten anderer Menschen leisten könnte, und mir Urteilsvermögen und Umsicht zunutze machen sollte, damit kein anderer verletzt wird. (1090-1092) Derartigen Angelegenheiten könnten verschoben werden bis die Sachlage so war, daß sich die Aktion durchführen ließe, ohne irgend jemandem zu schaden. (1092-1095) In der Zwischenzeit könnte man sich damit zufrieden geben, solche Angelegenheiten offen mit einem Dritten zu erörtern, der nicht darin verwickelt ist, selbstverständlich auf streng vertraulicher Basis. (1095-1097) Mit größter Sorgfalt sollte darauf geachtet werden, daß man unter einem derartigen Vorwand nicht die Situationen vermied, die für einen selbst schwierig oder gefährlich waren. (1097-1098) Die Bereitwilligkeit, bis zum Äußersten zu gehen, und zwar so schnell wie möglich, mußte jederzeit vorhanden sein. (1098-1102) Dieses Prinzip der Wiedergutmachung sollte in Zukunft beibehalten werden, denn nur dann, wenn ich mich selbst frei von schlechten Beziehungen mit anderen halte, könnte ich erwarten, die Kraft und die Führung zu empfangen, die für meine neue und umfassendere Nützlichkeit so unentbehrlich sind. (1102-1106) Diese Art von Disziplin würde mir helfen, andere Menschen so zu sehen, wie sie wirklich sind, zu erkennen, daß jeder auf seine Weise unter Eigensinn leidet, daß jeder in gewissem Sinne in irgendeiner Form in seinem Ego wirklich süchtig ist, und daß die Menschen, wenn sie sich schlecht benehmen, eigentlich nur Symptome einer spirituellen Erkrankung zeigen.

(1107-1110) In der Regel ist man ist einem anderen Menschen gegenüber weder ärgerlich noch kritisch, wenn er an irgendeiner schweren körperlichen Krankheit leidet, und ich würde bald sehen, wie dumm und nutzlos es ist, sich durch diejenigen aus der Ruhe bringen zu lassen, die durch ihr eigenes falsches Denken belastet sind. (1110-1112) Ich würde gegenüber jedem Menschen ein völlig neues Gefühl der Toleranz, Geduld und Hilfsbereitschaft hegen. (1112-1116) Ich würde mehr und mehr erkennen, daß ich mir um jeden Preis klarmachen mußte, wie grundverkehrt es von mir war, wenn ich kritisch oder nachtragend wurde, und daß ich genau die Fehler, über die ich mich bei anderen beklagte, in der einen oder anderen Form selbst noch besaß. (1116-1118) Es wurde viel Nachdruck darauf gelegt, daß man sich dahingehend entwickelte, für andere Menschen zu sorgen. (1118) Jeder Stein sollte umgedreht werden, um dieses Ziel zu erreichen. (1119-1121) Die beharrliche Ausübung des Grundsatzes, Gott häufig um Seine Hilfe zu bitten, um auch unter schwierigen Umständen etwas zu bewirken, war unbedingt erforderlich. (1121-1125) Besonders ein Säufer mußte in diesem Punkt äußerst streng mit sich sein, denn ein einziger Wutausbruch oder Anfall von Selbstmitleid könnte ihn von seiner neu gefunden Kraft abschneiden, so daß er wieder trinken würde, und das wird uns immer zum Verhängnis, und manchmal bedeutet es den Tod.

(1126-1128) Allerdings, das war ein Programm, allein der Gedanke an einige der Dinge, die ich anderen Leute über mich selbst eingestehen müßte, war mir äußerst zuwider - geradezu entsetzlich. (1128-1131) Es war nur allzu klar, daß mich mein eigenes, ungeheures Geltungsbedürfnis und meine Selbstsucht zugrunde gerichtet hatten, nicht nur in Hinsicht auf die Sauferei, sondern auch in bezug auf alles andere. (1131-1132) Die Sauferei war ein Symptom dieser Dinge. (1132-1137) Alkohol hatte meine Minderwertigkeitsgefühle ertränkt und meine Selbstachtung aufgebläht, mein Körper hatte schließlich rebelliert, und ich war katastrophal in Mitleidenschaft gezogen worden, mein Denken und Handeln wurden wehmütig verzerrt durch die Einwirkung des Sumpfes aus Selbstmitleid, Groll, Furcht und Gewissensbissen, in dem ich mich jetzt suhlte. (1137-1140) Mein Motiv für ein gewisses Maß an Großzügigkeit, Liebenswürdigkeit und die peinlich genaue Ehrlichkeit in mancher Beziehung, auf die ich mir soviel eingebildet hatte, waren nach alledem vielleicht doch nicht so gut, wie ich dachte. (1140-1142) Der Beweggrund war nichts weiter als der Wunsch nach persönlich Befriedigung für mich selbst gewesen, vielleicht nicht ganz und gar, aber im großen und ganzen stimmte es. (1142-1143) Ich hatte den Glanz gesucht, der durch den Beifall und die Lobpreisungen kommt, die mir von anderen gespendet wurden.

(1144-1147) Ich begann einzusehen, wie Taten, die an sich gut sind, möglicherweise nur wenig nützen konnten, wenn die Beweggründe falsch waren, ich war wie ein Mensch gewesen, der das Gefühl hat, alles sei gut, nachdem er während der Weihnachtszeit herablassend Truthähne an die Armen verteilt hat. (1147-1150) Wie klar war es mir doch plötzlich geworden, daß all meine Gedanken und Taten, sowohl die guten wie auch die schlechten, aus einem Wunsch entsprungen waren, mich selbst glücklich und zufrieden zu machen. (1150-1151) Ich war auf mich selbst statt auf Gott fixiert gewesen. (1151-1154) Es war jetzt leicht zu verstehen, warum die Annahme einer einfachen kindlichen Haltung gegenüber Gott zusammen mit einem diesem drastischen Aktionsprogramm das ihn stellen würde Ergebnisse herbeiführen würde. (1154-1155) Wie offensichtlich wurde es mir, daß bloßer Glaube an Gott nicht genug war. (1155-1158) Glaube mußte durch Werke demonstriert werden und es könnte weder Werke noch irgendeine lohnende Demonstration geben, solange ich mich nicht auf dieses Unternehmen eingerichtet hatte und ein geeigneter Vertreter geworden war, durch den sich Gott ausdrücken konnte. (1159-1162) Es mußte ein gewaltiger persönlicher Hausputz veranstaltet werden, die Trümmer der alten Eigenwilligkeit mußten weggefegt werden, die zerbrochenen Beziehungskisten mußten wiederhergestellt und ein fester Vorsatz mußte gefaßt werden, Gottes Willen zu meinem Willen zu machen. (1162-1163) Ich mußte aufhören, Dinge zu erzwingen, ich mußte mit dem Versuch Schluß machen, Menschen und Situationen nach meinem eigenen Geschmack zu formen. (1164-1165) Fast jedem wurde gelehrt, daß menschliche Willenskraft und Ehrgeiz wünschenswerte Merkmale sind, sofern gute Ziele verfolgt werden. (1165-1167) Auch ich hatte mich an diese Auffassung geklammert, aber ich sah ein, daß sie nicht gut genug, nicht groß genug, und auch nicht wirksam genug war. (1167-1168) Mein eigener Wille hatte in vielen Bereichen meines Lebens versagt. (1168-1169) Im Hinblick auf Alkohol war er vollkommen lahmgelegt worden. (1169-1170) Meine ehrgeizigen Bestrebungen, die seinerzeit so wertvoll zu sein schienen, endeten in Frustrationen. (1171-1174) Selbst wenn ich erfolgreich gewesen wäre, hätte die Jagd nach meinen Begierden vielleicht anderen geschadet, und ihre Verwirklichung hätte wenig oder überhaupt nichts zum Frieden, Glück oder Nutzen anderer Menschen beigetragen. (1174-1177) Ich begann einzusehen, daß die kollidierenden Bestrebungen und Pläne selbst der Menschen, die das suchten, was ihnen als würdige Ziele erschien, die Welt mit Zwietracht und Elend erfüllt haben. (1177-1179) Leute von dieser Sorte richteten vielleicht mehr Verwüstung an, als diejenigen, die zugestandenermaßen unsittlich und auf krummen Touren sind. (1179) Ich sah selbst die nützlichsten Menschen unglücklich und niedergeschlagen untergehen. (1180) Und alles nur, weil sich jemand anders schlecht benommen hatte oder sie hatten ...

[Anmerkung des Archivars: Rest des Druckvorlage ist z.Zt. im Archiv nicht vorhanden oder auffindbar.]