Der Hobby-Braumeister

Auf ganz eigenartige Weise oder durch einen verrückten Zufall machte ich Bekanntschaft mit dem ausgelassenen Lebensstil, als ich mit meiner Frau gerade angefangen hatte, ein vernünftiges, gesundes und ruhiges Familienleben zu führen. Meine Frau wurde schwanger, und der Arzt verordnete uns Porterbier ... so ... Ich kaufte einen Zwanzig-Liter-Tonkrug und ein paar Flaschen, hörte auf den Rat von Amateur-Braumeistern und machte mich auf zu meiner Bierbrauer-Karriere in kleinem Rahmen (fürs erste). Auf die eine oder andere Weise muß ich wohl den ärztlichen Rat mißverstanden haben, denn ich braute nicht nur das Bier für meine Frau, ich trank es auch für sie.

Mit der Zeit merkte ich, daß es üblich war, ein paar Flaschen zu öffnen, wenn zufällig Besuch kam. Als ich das tat, brauchte ich nicht lange, bis ich merkte, daß meine spärliche Braueinrichtung völlig unzureichend war, um den Bedarf für den geselligen und häuslichen Verbrauch zu decken. Von diesem Moment an versorgte ich mich mit Vierzig-Liter-Urnen und begann, ein wirklich reges Interesse an der Produktion von Hausgebräu zu entwickeln.

Wir trafen uns regelmäßig zum Kartenspiel mit Limburger Käse und Bier. Gelegentlich waren es natürlich auch Partys mit Bier und ohne Kartenspiele, denn bei all der Ausgelassenheit, die durch ein paar Liter Bier hervorgerufen werden konnte, schien es nicht unbedingt notwendig zu sein, zur Unterhaltung auch noch Bridge oder Poker zu spielen. Schön ... wir wissen alle, wohin diese Dinge führen. Die Feste verliefen wie geschmiert, das Bier floß, und die Zeit verstrich im Übermut. Eines Tages entdeckte ich, daß ich mit einem kleinen Schuß Schnaps dann und wann zwischen den Bieren viel schneller in die angeheiterte Stimmung kam, als wenn ich mir mehrere Liter Bier herunterquälen mußte, um die gleichen Erfolge zu erzielen. Als unvermeidbares Ergebnis der oben erwähnten Entdeckung lernte ich bald, daß Bier sehr gut geeignet war, um den Whisky hinunterzuspülen. Diese Entdeckung faszinierte mich so sehr, daß ich beinahe während der gesamten Zeit meiner ausgiebigen Säuferkarriere bei dieser Diät blieb. Jawohl, mein Herr, der gute alte Selbstgebraute mit Schuß. Am letzten Tag meiner Trinkerkarriere trank ich 22 davon zwischen zehn und zwölf Uhr vormittags und ich werde nie wissen, wie viele noch folgten, bis man mich in dieser Nacht ins Bett schleifte.

Wie dem auch sei, ich kam eine ganze Weile recht gut mit meiner Party-Trinkerei zurecht, aber schließlich begann ich auch zwischen den Partys Bierrunden aufzusuchen. Pro Woche ein Abend oder so in einer fröhlichen Runde, ein oder zwei Partys zu Hause oder bei Freunden, ab und zu ein heimlicher Schluck zwischendurch, und bald war ich für das Dasein im Säuferhimmel bestens gerüstet.

Drei Jahre nach Beginn meiner Trinkerlaufbahn verlor ich meinen ersten Job. Zu dieser Zeit lebte ich auf dem Lande, also zog ich zurück in die Stadt und bekam bei einem größeren Unternehmen einen Vertrag für eine verantwortungsvolle Position im Kreditwesen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich sechs Jahre in dieser Branche verbracht und erfreute mich des guten Rufes, sehr erfolgreich zu sein.

Mein neuer Aufgabenbereich war überaus anspruchsvoll und mein Alkoholverbrauch begann in dieser Zeit zu steigen. Jeden Abend auf dem Heimweg vom Büro war meine erste Station eine Kneipe, die etwa einen Block vom Bürogebäude entfernt war. Da es nun aber zufällig auf dem Weg dazwischen noch ein paar andere Kneipen gab, hielt ich es nicht für notwendig, jeden Abend am gleichen Ort einzukehren. Sie wissen ja, das zahlt sich nicht aus, wenn man jeden Abend zur gleichen Zeit am gleichen Ort gesehen wird.

Der übliche Rahmen war folgender: Ich kippte vier oder fünf Kurze im ersten Lokal. Danach fühlte ich mich fit. Dann brach ich auf zum heimischen Kamin, der zwanzig Kilometer entfernt war. Nun gut ... auf dem Weg nach Hause mußte ich an zahlreichen Lokalen vorbeigehen. Wenn ich allein wäre, könnte ich vier oder fünf Gläser trinken, aber wenn meine mißtrauische Frau dabei wäre, könnte ich nur ein oder zwei trinken.

Schließlich kam ich dann zu spät zum Abendessen nach Hause, auf das ich natürlich absolut keinen Appetit hatte. Ich machte einen kläglichen Versuch, zu Abend zu essen, aber das gelang mir nie mit überzeugendem Erfolg. Niemals konnte ich ein Essen genießen, aber ich aß aus zwei Gründen zu Mittag: Erstens, weil es mir half, aus dem Nebel der vorherigen Nacht herauszukommen, und zweitens, um meinen Bedarf an Nahrung zu decken. (Mein Appetit beim Essen ist jetzt für mich eine Besonderheit, die ich zu den sieben Weltwundern zähle. Ich kann es immer noch kaum glauben.) Schließlich wurde das Mittagessen auch abgeschafft.

Ich kann mich nicht genau erinnern, wann genau ich ein Opfer der Schlaflosigkeit wurde, aber ich weiß genau, daß ich in den letzten eineinhalb Jahren an keinem einzigen Abend nüchtern zu Bett ging. Ich konnte nicht schlafen. Ich hatte tödliche Angst davor, zu Bett zu gehen und mich die ganze Nacht herumzuwälzen. Abende zu Hause waren eine Zerreißprobe. Das Ergebnis war, daß ich jede Nacht in einen stumpfsinnigen Rausch versackte.

Wie es mir gelang, an diesen schrecklichen Vormittagen meine Arbeit zu erledigen, werde ich nie erklären können. Ich mußte mit Kunden, Vertretern und Versicherungsagenten umgehen, Briefe diktieren, telefonieren, meine neuen Mitarbeiter einweisen, meinen Führungskräften Rechenschaft ablegen und so weiter. So oder so, schließlich erwischte es mich, und als es soweit war, da war ich ein geistiges und körperliches Nervenwrack.

Letztendlich kam ich an dem Punkt an, wo ich es morgens nicht mehr ganz bis ins Büro schaffte. Dann schickte ich eine Krankmeldung. Aber die Firma hatte bald die Nase voll von meiner Trunkenheit, und ihre Behandlungsmethode bestand darin, daß man den schmerzhaften Virus, also mich, von ihrer Gehaltsliste strich, und zwar mit Pauken und Trompeten und noch dazu mit sehr persönlichen und schlüpfrigen Bemerkungen und Anspielungen.

Zur gleichen Zeit wurde ich von meinen Verwandten, Familienangehörigen, Freunden und Fremden abwechselnd bedroht, geschlagen, geküßt, angebetet und verdammt, aber es ging mir alles am Arsch vorbei. Ich weiß nicht, wie oft ich morgens abschwor und noch vor Sonnenuntergang betrunken war. Das war meine "Wer-abrutscht-darf-nochmal-Zeit".

Nachdem ich gefeuert worden war, bewarb ich mich bei einer neuen Finanzierungsgesellschaft, die gerade in den Markt eingestiegen war. Ich bekam eine Anstellung als Vertreter und kontaktierte Autohändler. Wow!!! War das nicht 'was ??? Die Arbeit im Büro war irgendwie immer so zwanghaft, aber, Mann, als ich bei dieser neuen Firma in den Außendienst kam, ohne Oberaufsicht, gehörte mir da nicht die ganze Stadt???

Die ersten paar Wochen arbeitete ich tatsächlich, und da ich einen ziemlich weiten Bekanntenkreis unter den Handelsvertretern hatte, war es nicht schwer für mich, ein ausreichendes Maß an Beziehungen zu knüpfen, um ein recht ansehnliches Geschäftsvolumen mit einem minimalen Aufwand zu erreichen.

Jetzt war ich rund um die Uhr betrunken. Ich mußte nicht jeden Tag im Büro persönlich Bericht erstatten, und wenn ich 'mal hinging, tat ich das nur, um mich 'mal zu zeigen und zischte gleich wieder ab. Das war ein schönes Karussell für acht Monate, so lange dauerte das Ganze.

Schließlich reagierte diese Firma auch gekränkt, und ich mußte mich wieder einmal nach einem Job umsehen. Ich lernte, daß man einfach keinen Job bekommt, wenn man Tag und Nacht in Kneipen und Bars herumhängt, denn an solchen Orten tauchen anscheinend keine Jobs auf. Ich kam zu dieser Überzeugung, weil ich die meiste Zeit dort verbrachte und nie ein Job auftauchte. Inzwischen waren meine Chancen, in dem Berufsfeld meiner Wahl etwas auf die Reihe zu kriegen, weitgehend verspielt. Jeder kannte meine Nummer, und niemand wollte mich mehr haben, nicht einmal geschenkt.

Ich habe einige Details meiner Missetaten, die ich mir im Suff geleistet habe, ausgelassen, und zwar aus verschiedenen Gründen. Erstens kann ich mich beim besten Willen nicht an allzu viele Einzelheiten erinnern. Denn ich war einer dieser Säufer, die auf ihren Füßen stehen und an einer Konferenz oder Party teilnehmen, sich mit anderen Leuten unterhalten und all die Dinge tun konnten, die jeder fast normale Mensch tun würde. Und am nächsten Tag konnte ich mich an überhaupt nichts mehr erinnern, weder, wo ich war, was ich getan hatte, wen ich getroffen hatte oder wie ich nach Hause gekommen war. (Dieser Umstand war für mich eine klare Behinderung, wenn ich mich gegenüber meiner nicht besonders geduldigen Frau zu rechtfertigen versuchte.)

Ich beging auch andere Taktlosigkeiten, aber ich sehe keinen besonderen Grund, davon zu berichten. Jeder, der ein Suffkopp ist oder Suffköppen nahesteht, kennt all diese Dinge zur Genüge, und ich muß sie nicht noch einmal erzählen.

Die Situation spitzte sich allmählich dahingehend zu, daß ich keine Freunde mehr hatte. Ich hatte kein Interesse, irgend jemand zu besuchen, es sei denn, bei der Party, die wir besuchen wollten, war genügend Alkohol vorhanden, damit ich trinken konnte, bis ich stinkbesoffen war. Tatsache ist, daß ich immer auf dem besten Wege war, solange ich überhaupt keine Besuche unternahm. (Natürlich war meine Frau über diesen Umstand hocherfreut.)

Früher hatte ich gute Stellungen und mehr als zehn Jahre lang ein Einkommen, das über dem Durchschnitt lag, und nun hatte ich Schulden, hatte nichts Vernünftiges anzuziehen, kein Geld, keine Freunde und niemanden, der mich noch ertragen konnte, außer meiner Frau. Mein Sohn konnte absolut nichts mit mir anfangen. Sogar einige der Gastwirte, bei denen ich soviel Geld und Zeit verschwendet hatte, baten mich, ihren Lokalitäten fernzubleiben. Schließlich bot mir ein alter Geschäftsfreund, den ich jahrelang nicht mehr gesehen hatte, einen Job an. Ich behielt die Stellung einen Monat lang und war die meiste Zeit betrunken.

Genau zu diesem Zeitpunkt hörte meine Frau von einem Arzt in einer anderen Stadt, der sehr erfolgreich mit Trinkern gewesen war. Sie stellte mich vor die Alternative, ihn aufzusuchen, oder sie würde mich für immer und ewig verlassen. Na schön ... Ich hatte einen Job und wollte wirklich verzweifelt mit dem Trinken aufhören, aber ich konnte es nicht. Also stimmte ich bereitwillig zu. Ich wollte den Arzt, den sie empfohlen hatte, aufsuchen.

Das war der Wendepunkt meines Lebens. Meine Frau begleitete mich bei meiner Visite, und der Arzt erzählte mir wirklich ein paar Dinge, die mich mit meinem Mandolinenfieber beinahe vom Stuhl fegten. Er sprach über sich selbst, aber ich war sicher: Das war ich. Im Laufe seiner Geschichte erwähnte er Lügen, Täuschungen und vieles andere mehr, und das in Gegenwart der einzigen Person auf dieser Welt, der ich diese Dinge nie erzählt hätte. Woher wußte er all diese Dinge? Ich hatte ihn niemals vorher gesehen, und mit der Zeit wünschte ich ihn zur Hölle und hoffte, ihn nie wieder zu sehen. Wie dem auch sei, er erklärte mir, daß er genauso ein Suffkopp gewesen war wie ich, aber für einen viel längeren Zeitraum.

Er gab mir den Rat, mich in ein bestimmtes Krankenhaus einweisen zu lassen, zu dessen Personal er gute Beziehungen hätte, und ich willigte ein. Trotz all meiner Ehrlichkeit war ich noch skeptisch. Aber ich wollte mit solch einer Bestimmtheit aufhören zu trinken, daß ich jede Art von körperlichen Qualen oder Schmerzen auf mich genommen hätte, um dieses Ziel zu erreichen.

Ich traf Vorkehrungen, um drei Tage später in das Krankenhaus eingewiesen zu werden. Prompt zog ich los und machte mich drei Tage lang dicht. Bei der Aufnahme hatte ich böse Vorahnungen und zitterte am ganzen Leibe. Natürlich hatte ich keinen Hinweis und keine Vorstellung, worin die Behandlung bestehen würde. Ich hatte keine Ahnung, welche Überraschung auf mich wartete!

Nachdem ich mehrere Tage im Krankenhaus war, wurde mir ein Überblick über einen Lebensplan vorgelegt. Ein sehr einfacher Plan, damit ich im Anschluß viel Freude und Glück fände. Es ist unmöglich, all die Wohltaten zu Papier zu bringen, die ich diesem Plan verdanke ... in körperlicher, geistiger, häuslicher, spiritueller und finanzieller Hinsicht.

Das ist kein leeres Gerede. Das ist die Wahrheit.

Was das körperliche Wohlergehen anbetrifft, nahm ich in den ersten zwei Monaten meiner Abstinenz fünfzehn Pfund zu. Ich esse jetzt dreimal täglich eine gute Mahlzeit und genieße wirklich jede einzelne von ihnen. Ich schlafe wie ein Baby - keine Spur mehr von Schlaflosigkeit. Ich fühle mich, als sei ich fünfzehn Jahre jünger.

In geistiger Hinsicht ... Ich weiß, wo ich gestern abend war, vorgestern abend und am Abend davor. Ich habe Selbstvertrauen und die Sicherheit, daß ich nicht mehr durch die Großspurigkeit oder die Krakeelerei in Verlegenheit komme, die ich früher an den Tag legte. Ich kann klar denken. Und in meinem Denken und Handeln lasse ich mich besonders durch meine spirituelle Entwicklung leiten, die täglich weiter wächst.

Vom häuslichen Standpunkt aus gesehen: Wir haben jetzt ein wirkliches Zuhause. Ich bin gespannt darauf, nach der Arbeit nach Hause zu kommen. Meine Frau ist immer glücklich, wenn sie mich heimkommen sieht. Mein Sohn hat mich angenommen. Unser Haus ist immer voll mit Freunden oder Gästen (ohne Hausgebräu als Anreiz).

In spiritueller Hinsicht ... Ich habe einen Freund gefunden, der mich niemals im Stich läßt und mir immer gerne hilft. Ich kann meine Probleme wirklich zu Ihm bringen und Er schenkt mir tatsächlich Trost, Friede und strahlendes Glück.

Vom finanziellen Standpunkt aus gesehen ... In den letzten neun Monaten habe ich meine leichtsinnig gemachten Schulden beinahe völlig annulliert und hatte genug Geld, um bequem über die Runden zu kommen. Ich habe immer noch meine Arbeit, und unmittelbar bevor ich diese Erzählung schrieb, wurde ich befördert.

Für all diese Gnade danke ich IHM.

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Stand: 27. Juni 1997